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Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition)

Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition)

Titel: Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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Grunde ist es Typhus zu verdanken, dass wir noch leben«, beantwortete Shen meine Frage. »Wenn auch eher zufällig. Als sie mich in Alsgara geschnappt hatte, sind wir auf dem Flatterer der Tiefe geflogen. Der ist leider irgendwann abgestürzt. Da hat die Verdammte einen Zauber gewirkt, um uns beide, sich und mich, zu retten. Dieses Geflecht hatte ich mir bei ihr abgeguckt. In der Schlucht habe ich es dann nachgemacht. So sind wir sanft wie auf einem Federkissen auf der Erde gelandet.«
    Seit dem letzten Monat war Shen deutlich gereift. Sein Gesicht zeigte schärfer geschnittene Züge, die Stirn durchfurchten Falten. In seinem Blick spiegelten sich Erfahrung und Leid.
    »Wir hatten keine Möglichkeit, dich davon wissen zu lassen«, sagte Rona, der das Glück, mich zu sehen, immer noch aus den Augen blitzte. »Zunächst wussten wir nicht, wie wir aus dieser Schlucht herauskommen sollten. Wenn Typhus nicht gewesen wäre …«
    Ich zuckte zusammen.
    »Ist sie etwa hier?!«, fragte ich.
    »Ja. Sie muss irgendwo in der Nähe sein.« Shen sah zu den Lagerfeuern hinüber. »Sie hatte uns markiert. Deshalb wusste sie, dass wir noch am Leben waren, und hat uns mühelos gefunden.«
    »Das sieht ihr mal wieder ähnlich!«, brummte ich.
    »Ohne Frage«, sagte Rona.
    Ihr Haar war inzwischen nachgewachsen, in ihrem Blick lag Entschlossenheit, sogar Härte. Ob sie nach dem verunglückten Umschmieden durch Lepra endlich ganz genesen und damit wieder die Alte war? Oder war ihr neuer Funken an diesen Veränderungen schuld?
    Als ich meine Überlegung laut aussprach, dauerte es eine Weile, bis mir die beiden antworteten.
    »Im letzten Jahr haben wir alle uns stark verändert, Ness«, sagte Shen endlich und warf der zitternden Rona seine Jacke über die Schultern. »Sogar du.«
    »Natürlich nur zum Besseren?«, entgegnete ich mit einem schiefen Grinsen. »Wer von den anderen ist sonst noch hier?«
    »Nur Typhus. Die Übrigen sind schon weiter zum Grokh-ner-Tokh.«
    »Wo habt ihr gekämpft?«
    »An den Würzseen«, antwortete Shen. »Wir hatten gehört, dass diejenigen, die bei Regesh standen, eingekesselt worden seien. Deshalb können wir ja auch kaum glauben, dass du noch lebst.«
    »Geht mir umgekehrt genauso«, erwiderte ich. »Ihr seid also mit dem Sechsten Südregiment hergekommen?«
    »Mit dem Siebten«, stellte er richtig. »Wir haben uns ihm angeschlossen, sobald wir aus den Bergen raus waren. Und dann gleich an der ersten Schlacht teilgenommen.«
    »Verstehe«, sagte ich und kam wieder auf Typhus zurück: »Was ist mit unserer guten alten Freundin?«
    »Sie hat sich brav verhalten. Ihretwegen haben wir sogar diese Schlacht gewonnen«, antwortete Rona. »Allerdings glauben die Soldaten, das sei mein Verdienst.«
    »Und was halten die Schreitenden von
deinen
Zaubern?«
    »Solange sie in der Nähe waren, haben wir versucht, keine dunklen Zauber zu wirken«, erklärte Shen im Flüsterton. »Und im Kampf, wenn es hoch hergeht, achtet kaum noch jemand darauf, welcher Funken gerade angerufen wird. Wir waren sehr vorsichtig.«
    »Nein, wir hatten viel Glück«, widersprach ihm Rona. »Ein paarmal wäre man uns fast auf die Schliche gekommen. Inzwischen sind aber alle Schreitenden nach Korunn abberufen worden. Sie haben die Hauptstadt noch erreicht, bevor Pests Armee alle Straßen abgeriegelt hat.«
    Das sah den werten Damen und Herren Funkenträgern mal wieder ähnlich. Sie retteten Ihresgleichen, nicht aber die einfachen Soldaten. Wer heute hier in Bragun-San weilte, war bereits als Toter abgeschrieben.
    »Aber ihr habt euch diesem Befehl widersetzt?«, hakte ich nach.
    Shen grinste bloß. Ich nutzte die günstige Gelegenheit und erzählte ihm von Lahen.
    Wir hatten das letzte Stück unseres langen Weges angetreten und zogen zum Grokh-ner-Tokh. Die Tote Asche Bragun-Sans umgab uns nun in ihrer ganzen Schönheit. Überall ragten rasiermesserfeine, spiegelnde Obsidiansäulen auf. Den schwarzen Stein sprenkelten manchmal grüne Flecken, die sich jedoch nur bei Sonnenschein erkennen ließen. Erde und Berge zeigten alle nur denkbaren Rottöne. Da es auch noch genug Kohlschwarz gab, erinnerte die Gegend erschreckend an einen Tiger aus Urs. Einen schlafenden zwar – aber das machte ihn nicht weniger gefährlich.
    Der laut singende Berg versperrte uns die Sicht auf den halben Himmel. Seine drei grau-blauen Spitzen, die mit Asche und erstarrter Lava überzogen waren, wirkten wie Frauengesichter. Sobald man jedoch länger hinsah,

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