Sturm im Elfenland
Sein Blick streifte Alana mit Trauer und großem Mitgefühl. »Er hat dieses Schicksal nicht verdient«, fuhr er mit ruhiger Stimme fort. »Wenn Alana recht hat und Ivaylo immer noch dort drüben ist und um Hilfe ruft, dann sollten wir sie ihm gewähren.«
Auberon neigte nachdenklich den Kopf. »Und wie willst du es deiner Schwester erklären, dass du die kleine Elfe an das Dämonenreich verloren hast, wenn es schiefgeht?«, fragte er erstaunlich sanft.
Munir hob den Kopf und erwiderte fest Auberons Blick. »Wir werden Alana nicht verlieren«, sagte er. »Sverre soll mein Anker sein. Ich gehe hinüber.«
Auberon nickte überrascht, und Alana rief: »Du? Aber wie willst du das ohne Sternenstein bewerkstelligen?«
»Er hat einen Stein«, erwiderte Sverre und biss nachdenklich auf seinen Daumen. »Ich habe allerdings noch nie zuvor einen Elfen verankert. Ihr spielt mit meinem Leben, meine Herren. Wenn Munir dort drüben etwas zustößt, werde auch ich das nicht überleben.«
»Wirst du es dennoch wagen?«, fragte Munir. »Ich weiß, dass ich dich nicht danach fragen dürfte. Aber der Junge ruft um Hilfe. Ich bitte dich, mich einzuweisen.«
Sverre sah den Elfenkönig an. »Du kennst die Risiken?«
Auberon machte eine resignierende Handbewegung. »Meine Einwilligung habt ihr. Auch, wenn ich mich frage, ob ich verrückt bin, sie euch zu geben.«
Der Zwerg nickte seufzend »Also gut. Alana, du kannst mich mit deinem Stein unterstützen. Komm an meine Seite und lege deine Hand auf meine Schulter. Hab keine Angst, dir wird nichts geschehen. Es ist nur eine zusätzliche Kraftquelle, die du mir gibst.«
Er begann damit, den Elfenzauberer zu unterweisen. Alana war überrascht, wie einfach es war, einen solchen Durchgang in eine andere Welt zu schaffen. »Das könnte doch jeder tun«, rief sie aus.
»Jeder, der einen solchen Stein besitzt«, gab Sverre zurück. »Und den zu erschaffen wiederum ist nicht ganz so einfach, auch wenn dieser Erramun es offensichtlich geschafft hat.« Er rieb sich mit einer müden Geste über die Augen. »Ich werde dich nun hier verankern«, sagte er zu Munir. »Nimm Verbindung mit deinem Sternenstein auf. Es ist leichter für mich, weil du einen gebundenen Stein hast. Ungebundene Steine zu verankern kostet ungleich mehr Mühe und ist gefährlich, weil man sie leichter verliert. Alana, ich brauche jetzt deine Kraft.«
Alana schloss die Augen und legte ihre Hand auf Sverres Schulter. Sie spürte, wie er ein geistiges Gewicht aufbaute, das schwer und solide wie ein großer Felsen vor ihrem inneren Auge emporragte. Das war der Anker, mit dem Munir sich gleich verbinden musste.
Ihr Stein ruhte warm und vertraut an ihrer Brust, und Ivaylos Sternenstein, der immer noch große Hitze ausstrahlte, ohne sie jedoch zu verbrennen, pochte in einem unruhigen, schnellen Rhythmus in ihrer Hand.
Ihre Gedanken rasten. Munir würde scheitern. Wie wollte er Ivaylo finden? Er konnte doch nicht einmal seine Rufe hören! Wenn sie nichts unternahm, würde Ivaylo in der anderen Welt sterben. Doch weder Munir noch Sverre würden zulassen, dass sie hinüber ins Dämonenreich ging und dort ihr Leben riskierte. Am liebsten hätte sie alle Warnungen in den Wind geschlagen und sich kopfüber in das schreckliche Tor gestürzt, auch wenn ihr bei dem Gedanken daran vor Entsetzen der Atem stockte.
Sverres Aufmerksamkeit richtete sich nun voll und ganz auf Munir, der auf den rechten Moment wartete, sich mit dem Anker zu verbinden. Sverre gab ihm das Zeichen, doch Alana kam Munir zuvor. Innerhalb eines einzigen Atemzugs ergriff sie den Anker und befahl ihrem Stein, das Portal zu öffnen.
Sie fiel. Mit einem erschreckten Aufschrei griff sie haltsuchend ins Leere. Dunkelheit war um sie, in der rötliche Sterne glommen. Sie fiel durch die Finsternis, begleitet von schwebenden Schemen, die mit schrillen Stimmen ihren Namen riefen.
Eine Ewigkeit verging so, bis der Schrecken des endlosen Falls verblasste und einer grenzenlosen Langeweile Platz machte. Alana drehte sich um die eigene Achse und strengte das an, was sie für ihre Augen und Ohren hielt.
Ihr Körper hatte sich auf seltsame Weise in etwas verwandelt, das keinen festen Zusammenhalt mehr besaß. Sie wusste immer noch, wo ihr Kopf und was ihre Füße waren und dass sie zwei Hände hatte, aber nichts davon fühlte sich so an oder sah so aus, wie sie es kannte.
»Ivaylo«, rief sie mit ihrer Nicht-Stimme. »Wo bist du?« Ein drängendes Gefühl der Eile verjagte die
Weitere Kostenlose Bücher