Sturm im Elfenland
warf Erramun einen bösen Blick zu. »Ja, natürlich«, zischte sie und stand auf.
»Und wenn du Aindru siehst, richte ihm doch bitte aus, dass er mir auch noch ein paar Ranken Winselrebe aus dem Garten mitbringt. Bist du so nett?«
Alana nickte verbissen und knallte die Tür hinter sich zu.
I
ch bin es so leid, mich immer wieder aufs Neue rüsten zu müssen. Dieses Mal erreichte eine Nachricht aus den Dämmersümpfen den Hof. Der Junge, der sie gestern Abend überbrachte, zitterte vor Erschöpfung und Angst. Ich musste ihm einen beruhigenden Trank einflößen, damit seine Zähne zu klappern aufhörten und es ihm gelang, in zusammenhängenden Sätzen zu sprechen.
Es war, wie ich befürchtet hatte ‒ und von Auberons düsterer Miene konnte ich ablesen, dass auch er schon bei der Ankunft des Jungen gewusst hatte, worum es ging.
In den Dämmersümpfen war ein neues Dämonentor erschienen.
Wir brachen ohne Aufschub noch vor der Morgendämmerung auf. Auberon nahm nur drei seiner treuesten Jäger mit, und als ich ihn fragte, ob das nicht zu leichtsinnig sei, lachte er. »Ich brauche nur dich«, sagte er. »Aber es ist gut, mit einer Eskorte zu reiten. Wir werden zu erschöpft sein, wenn wir zurückkehren. Es gibt Raubgesindel auf dem Weg.«
»Ich brauche nur dich.« Die bittere Erwiderung, die mir in den Sinn kam, zerkaute ich und schluckte sie hinunter. Das Vertrauen meines Königs ehrt mich, aber es ist auch eine Last. In diesen Tagen wünsche ich mir oft, es gäbe noch andere, die uns zur Seite stehen können. Was, wenn sich in Zukunft immer mehr Dämonentore auftun würden? Was, wenn sie an mehreren Orten gleichzeitig auftauchen? Wir können nicht überall sein. Die Feuer flackern immer häufiger, an immer mehr Stellen auf, und nur Auberon und ich sind da, um sie auszutreten.
Aber was nützt alles Jammern ‒ das Dämonentor in den Dämmersümpfen wartet auf uns.
Kapitel 5
Er wollte heim. Dafür ging er sogar seit ein paar Tagen der strengen Stallmeisterin zur Hand, um die Pferde und ihre Unterbringung genauer kennenzulernen.
Die Stallungen wurden nachts mit einem Schutzzauber gesichert, der kein allzu großes Hindernis darstellte, wenn man wusste, wie er zu umgehen war. Ivaylo schüttelte den Kopf über die nachlässige, beinahe stümperhafte Ausführung dieses einfachen Alltagszaubers. Wahrscheinlich war niemand mehr in der Lage, richtige, solide Zauber zu weben, seit dieses unsinnige Verbot in der Welt war. Die alte Kunst geht verloren, das hatte sein Vater immer gesagt.
Ein scharfer, kurzer Schmerz begleitete diesen Gedanken, und Ivaylo schob ihn beiseite. Nicht jetzt und nicht hier. Vor allem nicht hier, wo sie alle so selbstgefällig und so beschränkt in ihrer Zufriedenheit umherliefen.
Der große Fuchs war ihm bei seinem ersten Besuch aufgefallen. Er erinnerte ihn an Calixto – das lag wahrscheinlich an der Farbe des Fells. Der Fuchs war kräftig und hoch gebaut, aber er hatte ein sanftes Gesicht und ein weiches Maul, mit dem er vorsichtig die Äpfel und Karotten von Ivaylos Handfläche nahm.
Ivaylo wusste nicht, wer den Fuchs zu reiten pflegte. Es musste einer der Erwachsenen im Haushalt sein, denn die hochnäsigen Geschwister hatte er ein paar Tage zuvor auf einem Falben und einem Apfelschimmel vom Hof traben sehen. Und Garnet, die rote Katze, die ihn immer so falsch anlächelte, wenn sie sich begegneten, ritt gewöhnlich auf einer struppigen braunen Stute, die sie hochtrabend »Sternkönigin« nannte.
Ivaylo schnaubte verächtlich, streckte sich auf zwei Strohballen aus und blickte zu den Dachsparren hinauf. Rötliches Sonnenlicht sickerte durch Spalten und Astlöcher, zog staubtanzende Lichtsäume durch das Halbdunkel und malte feine Streifen und Kringel auf den dunklen Boden. Die Pferde waren noch auf der Koppel, es war still bis auf das Rascheln und Trappeln kleiner Mäusepfoten. In der Ferne hörte er den Pfiff, mit dem die Stallmeisterin die Pferde zur Nacht zurück in den Stall holte.
Die Box, in der er sich aufhielt, war leer. Nur etwas aufgestapeltes Heu und ein paar Kisten standen auf dem Boden. Hier würde ihn niemand suchen.
Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Aindru, der immer so erwachsen und verständnisvoll tat, obwohl er kein bisschen älter war als Ivaylo, und seine eingebildete Schwester saßen jetzt nach dem Abendessen bestimmt wieder oben in der Bibliothek und lauschten ihrem hochherrschaftlichen Hauslehrer Erramun.
Erramun. Der Lehrer hatte Alana
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