Sturm im Elfenland
aus dem Stand alles darüber erzählen konnte.
»Erramun?«
Er brummte geistesabwesend und schob ein Buch von dem Stapel in seinem Arm wieder zurück ins Regal.
»Wirst du Ivaylo auch unterrichten?«
Er sah auf und ihr in die Augen. Ein Lächeln hob seine Mundwinkel und fältelte seine Augenwinkel. »Ja, natürlich«, antwortete er. »Er gehört jetzt zum Haushalt deines Vaters.« Er sah sich ein wenig ratlos um und stellte den Bücherstapel dann kurzerhand neben der Tür ab. »Warum fragst du?«
Alana kaute unzufrieden auf ihrem Daumennagel herum. »Ich finde, er passt nicht zu uns.«
Erramun nickte nachdenklich und ging vor Alana in die Hocke. »Wovor hast du Angst?«
»Angst?«, fuhr Alana auf. »Ich habe keine Angst. Ich will nur nicht, dass so ein seltsamer Junge sich hier einnistet und ...«
»Und was?«
Sie schwieg. Ja, was? Ihr ihren Bruder und ihre Eltern stahl? Bei dem Gedanken musste sie selbst lachen. »Ich glaube, ich bin wütend auf ihn, weil er das Fuchszimmer bekommen hat«, gab sie zu.
Erramun nickte. »Das ist nicht schön. Du hast dich darauf gefreut. Ich wäre wahrscheinlich auch enttäuscht.«
Alana spürte, wie sich eine dunkle Wolke von ihrem Gemüt hob. »Ja?«, sagte sie. Erramun nickte wieder.
Alana zuckte mit den Achseln und lächelte schief. »Ivaylo kann ja nichts dafür«, erklärte sie großmütig. »Eigentlich müsste ich auf meinen Vater wütend sein.«
Erramun erwiderte das Lächeln und stand auf. »Dann darf ich ihn unterrichten?«
»Du hast meine Erlaubnis«, gab sie hoheitsvoll zurück.
Er verzog keine Miene, sondern vollführte eine formvollendete Verbeugung. »Mein Fräulein.«
Alana sprang auf und knickste. »Mein Herr.«
»Was macht ihr denn da?«, fragte Aindru im Eintreten. Er stolperte über den Bücherstapel neben der Tür.
»Wir proben für das Winterjahrfest«, erklärte Erramun mit einem verschmitzten Blinzeln zu Alana.
Sie kicherte und knickste gleich noch mal. »Herr Ritter, wollt Ihr mit mir tanzen?«
»Du bist dumm«, ereiferte sich Aindru, der sich hingekniet hatte, um die umgefallenen Bücher wieder ordentlich aufzuschichten. »Die Dame fragt doch nicht den Herrn, ob er mit ihr tanzen möchte!«
»Nein?«, fragte Alana spitz zurück. »Dann bin aber nicht ich dumm, sondern das ist eine ganz und gar dumme Regel! Woher soll Erramun denn sonst wissen, dass ich mit ihm tanzen will?«
Der Hauslehrer hatte sich an sein Stehpult zurückgezogen und notierte in seiner schnellen, flüssigen Schrift etwas in einer Liste. Er blickte auf und tat erstaunt. »Mit mir tanzen? Aber gehört sich das denn für ein Fräulein? Ich bin doch nur ein einfacher Bediensteter.«
»Das bist du nicht«, erwiderte Aindru erstaunlich heftig. »Du bist ein geachtetes Mitglied unseres Haushaltes!«
Alana lachte unterdrückt, weil Erramun so verdutzt dreinblickte und offensichtlich nicht wusste, was er darauf erwidern sollte.
»Äh … danke, Aindru«, sagte der Lehrer schließlich und räusperte sich energisch. »Dann wollen wir ... jetzt seid ihr beide hier, wir können also gerne ...«
»Das Buch, das du uns zeigen wolltest?«, fiel Alana ihm ins Wort.
Erramun drehte die Schreibfeder unschlüssig in den Fingern, dann tauchte er sie wieder ins Tintenfass. »Ihr wisst ja, dass euer Vater in seiner Bibliothek Raritäten und Kostbarkeiten sammelt. Aindru?«
Der Elfenjunge klopfte seine staubigen Knie ab und sagte: »Wir besitzen nicht nur Schriften der Elfen, wie diese Gedichtsammlungen«, er wies auf einen kleinen Stapel in Seide gebundener Broschüren auf dem niedrigen Tisch neben dem Sofa. Sie schimmerten wie der Regenbogen im Feenlicht, und Alana konnte nicht an sich halten, sie musste sacht mit dem Fingernagel über das oberste Büchlein streichen, dem zarten Schrei der Seide lauschen und es dann aufschlagen, während Aindru weitersprach. Ihre Augen glitten über die weichen, schwungvollen Kurven der Schriftzeichen. Der Dichter hatte statt der Feder einen Pinsel benutzt, das sah sie an den Auf- und Abschwüngen, die im Rhythmus der Pinselstriche anschwollen und dünner wurden.
»Bücher der Elfen werden mit der Hand geschrieben und illustriert«, erklärte Aindru unterdessen. »Jedes Buch ist ein Einzelstück oder existiert nur in sehr wenigen Exemplaren. Viele Bücher in diesem Raum sind deshalb von Menschen gefertigt worden.«
»Richtig, Aindru«, bestätigte Erramun. »Was unterscheidet die Menschenbücher von den unseren?«
»Sie wurden gedruckt«, warf Alana
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