Sturm im Elfenland
alles Mögliche an Dämonengezücht hindurchgelangen und Unheil stiften.«
»So?«, fragte Trond Hammerschlag kryptisch und bedeutete dem alten Arve, die Tür zu öffnen, vor der wir standen.
Der greise Zwerg machte sich schweigend ans Werk, und ich erkannte jetzt erst, dass die schweren Riegel zusätzlich noch magisch gesichert waren. Was befand sich hinter dieser Tür?
»Das ist unsere Experimentierkammer«, erklärte mir Vetle Steinhauer leise, der meine fragende Miene richtig gedeutet hatte. »Wir arbeiten hier mit ungebundenen und ungedämpftten Steinen. Das ist wilde, ungezähmte Magie, bei der man größte Vorsicht walten lassen muss.«
Diese Aussage machte mich nicht glücklicher und auch Auberon zog ein missvergnügtes Gesicht. »Woher stammen diese Steine?«
Trond zierte sich mit der Beantwortung dieser Frage und wandte sich erleichtert zur Tür, deren Riegel gerade aufsprangen. »Gehen wir hinein«, sagte er.
Kapitel 11
Es war der erste Morgen des Herbstes, der den nahenden Winter erahnen ließ. Als Alana sich aus dem Fenster lehnte und die frische Luft in tiefen Zügen in die Lunge sog, lag Raureif auf den Dächern und versilberte das Gras. Sie stieß den Atem aus und beobachtete die Wolke, die er bildete. Bald ist wieder Winter, dachte sie wehmütig.
Es fiel ihr immer ein wenig schwer, den Sommer zu verabschieden, obwohl auch die dunkle Jahreszeit mit ihrem Schnee, den Eisblumen, den lodernden Kaminfeuern, dem Geruch von gerösteten Kastanien, Bratäpfeln und heißem Würzwein durchaus ihren Reiz hatte.
»Und das Winterjahrfest«, sagte sie und schloss energisch das Fenster. Das Winterjahrfest war ein Ereignis, dessen Vorbereitung Gondiars Haushalt sonst wochenlang in Atem hielt. Im vergangenen Jahr allerdings hatten sie die Reise zum Königsstein unternommen, um den Friedensschluss mit den Zwergen zu feiern, und in diesem Jahr würden sie wohl wieder dorthin reisen, denn Gondiar wollte es sich nicht nehmen lassen, seinem scheidenden Eidmann das persönliche Geleit an Auberons Hof zu geben.
Es war immer eine große Ehre für einen Haushalt, wenn einer seiner Eidmänner zu Auberons Jägern berufen wurde. Aber Gondiar ließ Edur nicht leichten Herzens ziehen, der junge Elf war ihm ans Herz gewachsen wie ein eigener Sohn.
Also hatte er verfügt, dass sein Haushalt auch in diesem Jahr das Winterfest auf dem Königsstein begehen würde.
Alana freute sich schon darauf. Der Königsstein war ein so prächtiger Bau und Auberons Gäste wurden in wunderschön eingerichteten Gästegemächern untergebracht.
Und das Fest selbst? Alana schloss die Augen und erinnerte sich an einen riesigen Saal voller Licht, Musik und Glanz. Die Gäste waren allesamt weiß, silbern und eisblau gekleidet erschienen, denn das Motto des Jahrfestes hatte »Schneeball« gelautet.
Auch der Festsaal war entsprechend geschmückt gewesen: Von den Leuchtern hingen lange Eiszapfen herab, die Tische und Bänke waren aus klarem Eis und festem Schnee, Geschirr und Gläser bestanden aus gefrorenem Wasser, die Tanzfläche war spiegelndes Eis ‒ und dennoch war es warm und behaglich gewesen, Feuer und Kerzen brannten, heiße Suppe dampfte in den Eistellern und Punsch in den Pokalen aus Eis.
Dass die Pracht nicht sofort zu schmelzen begann, hatte Auberons Zauberer bewerkstelligt. Alana hatte ihn während ihres Aufenthaltes nicht zu Gesicht bekommen, so beschäftigt war der Magier damit gewesen, all das gefrorene Mobiliar mit seinem konservierenden Zauber daran zu hindern, dass es sich umgehend wieder verflüssigte.
Wie würde wohl in diesem Jahr das Motto lauten?
Alana zog eine warme Jacke über ihr dünnes Hemd und schloss die Tür hinter sich. Sie lief die Treppe hinunter und sang leise vor sich hin: »Schnee und Eis, alles weiß ...«
»Erramun ist wieder da«, rief Aindru ihr aus dem Gartenzimmer zu. »Wir sollen nach dem Frühstück in die Bibliothek zum Unterricht kommen.«
Alana winkte zum Zeichen, dass sie ihn gehört hatte, und klopfte an die Tür von Gondiars Arbeitszimmer. »Vater?«, rief sie. »Hast du Zeit?«
Sie wartete einen Moment. Dann hörte sie Gondiar antworten: »Für dich doch immer. Komm herein, meine Kleine.«
Gondiar saß in dem großen Lehnsessel am Fenster und hatte die Beine auf einen zweiten Sessel gelegt. In seinem Schoß lag schlafend der große rote Kater Raubein, den es nicht störte, dass Gondiar ein Buch gegen seinen Rücken gelehnt hatte, um darin zu lesen.
»Setz dich, Sonnenkind.« Gondiar
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