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Sturm: Roman (German Edition)

Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Sturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Lubaya. »Er war nicht sehr gut zu Fuß. Erst hat Jan ihn gestützt. Aber dann …« Lubaya wandte sich an Dirk. »Was war eigentlich dann? Wo ist Jan plötzlich abgeblieben?«
    Dirk sah von einer der Frauen zur anderen. Er hätte viel darum gegeben, wenn in diesem Augenblick ein Marsmännchen vorbeigeradelt wäre und ihm die Antwort erspart hätte. Aber das Schicksal verweigerte ihm diesen Gefallen.
    »Ich weiß es nicht«, sagte er lahm. »Die Decke … die Decke ist zusammengebrochen. Olowski … Jan … war erst neben mir, dann hat er einen Haken geschlagen …«
    Dirk verstummte, als er einen hässlichen Verdacht in Kinahs Augen aufblitzen sah.
    Dieser Argwohn war schlimmer als alles andere, schlimmer noch als sein schlechtes Gewissen.
    »Wie ich gehört habe, seid ihr gestern Abend aneinandergeraten«, flüsterte Kinah. »Du konntest ihn nicht leiden, oder?«
    »Nein, das stimmt nicht!«, widersprach Dirk heftig. »Ich hatte überhaupt nichts gegen ihn. Im Gegenteil! Schließlich hat er mich gerettet, als ich in einem Gang vom Sturm überrascht wurde.«
    »Er hat dich gerettet, er hat dir geholfen – und du hast dich nicht einmal darum gekümmert, ob er sich selbst in Sicherheit bringen konnte?« Kinahs Gesicht glich auf einmal einer der Masken, die in ihrem gemeinsamen Haus hingen. In ihren Zügen war eine Härte, etwas Fremdartiges und vielleicht auch Uraltes, dessen Bedeutung ihm auf ewig verschlossen bleiben würde. »Du hast einen Gefährten im Stich gelassen? Weißt du, wie man bei uns jemanden nennt, der so handelt?«
    Dirk schüttelte hilflos den Kopf.
    »Das weißt du nicht? Man nennt ihn einen Taoto. Einen Feigling. Und weißt du, was man über einen solchen Taoto sagt?«
    Dirk presste die Lippen aufeinander.
    »Ein Feigling läuft weg … Zum Kampf gegen das Schicksal braucht es einen Mann.«
    »Ganz so war es nicht«, wandte Lubaya ein. »Als die Decke zusammenbrach, war jeder von uns dreien auf sich alleine gestellt. Du hast keine Ahnung, was in diesem Moment los war! Es war, als würde Baku höchstpersönlich auf das steinerne Dach der Grotte einschlagen.«
    »Verschone mich bitte mit diesem Blödsinn!«, fauchte Kinah. »Nicht Baku bestimmt Dirks Schicksal, sondern er selbst.«
    »Aber wir mussten uns erst einmal in Sicherheit bringen«, beharrte Lubaya.
    Kinah starrte sie an. »Und was hast du getan, nachdem du dich in Sicherheit gebracht hattest?«
    Lubaya blinzelte. »Ich verstehe nicht, was du meinst.«
    »Ich glaube, du verstehst mich sehr gut.« Kinahs Stimme klang immer noch vorwurfsvoll, aber etwas weicher als zuvor. »Ich kenne dich, Lubaya. Es reicht dir nicht, dich in Sicherheit zu bringen, niemals. Wenn es darum geht, anderen beizustehen, bist du immer die Erste, egal, ob du dich dabei einer Gefahr aussetzen musst oder nicht.«
    »Können wir dieses Verhör vielleicht abkürzen?«, mischte sich Dirk ein. »Lubaya hatte schon den Gang erreicht, durch den wir uns später retten konnten. Aber ich hätte es nicht mehr geschafft. Da ist sie zurück in die Grotte gerannt und hat mich mehr oder weniger mitgeschleift.«
    »Stimmt das?«, fragte Kinah.
    Lubaya nickte. »Natürlich stimmt das.«
    »Und Jan?«
    »Den habe ich nicht gesehen«, antwortete Lubaya. »Er war wie vom Erdboden verschluckt.«
    Kinah wandte sich wieder an Dirk. »Aber du hast ihn gesehen, oder?«
    Dirk räusperte sich. »Zu diesem Zeitpunkt nicht mehr. Vorher ja. Ich dachte …«
    »Was du gedacht hast, spielt keine Rolle«, unterbrach ihn Kinah. »Nur, dass du ihn feige im Stich gelassen hast.«
    »Was hätte ich denn machen sollen?«, begehrte Dirk auf. »Ich konnte mich kaum auf den Beinen halten. Und außerdem habe ich wirklich geglaubt, dass Jan schon in Sicherheit ist.«
    Kinah verzog abfällig das Gesicht und traf ihn damit tiefer, als wenn sie ihn angebrüllt hätte. »Na klar.«
    »Es tut mir leid, was mit Jan geschehen ist«, erklärte Dirk mit Nachdruck. »Aber wäre es dir lieber gewesen, ich wäre in die einstürzende Grotte zurückkehrt, um ihn zu suchen – und auch umgekommen?«
    »Mein Gott, Dirk«, murmelte Kinah. »Das ist billig, und du weißt es. Und außerdem: Woher willst du wissen, dass Jan umgekommen ist? Hast du ihn zerschmettert am Boden liegen sehen?«
    »Nein, das habe ich nicht«, erwiderte Dirk trotzig. »Aber ich habe nach ihm Ausschau gehalten. Ich bin nämlich nicht einfach weggelaufen. Im Gang habe ich mich noch einmal umgedreht und versucht, in der Grotte irgendein Lebenszeichen zu

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