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Sturm: Roman (German Edition)

Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Sturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Augenblick des Erstickens, der Versuch, doch noch Luft zu bekommen …
    »Oh mein Gott«, murmelte Lubaya. »Das ist … das ist …«
    Grausig wäre das Wort gewesen, das am besten beschrieben hätte, was man diesem Menschen angetan hatte. Doch Lubaya sprach es nicht aus. Auch Kinah schwieg, aber im Licht der Lampe wirkte ihr Gesicht plötzlich ganz schmal.
    Dirk hatte den Atem angehalten und stieß nun die Luft zischend zwischen den Zähnen hervor. Was für ein grauenhafter Tod! Dabei zusehen zu müssen, wie die Peiniger die Folie immer weiterwickelten, um Schultern, Hals, Kopf … Ob sie ihrem Opfer gesagt hatten, was sie mit ihm vorhatten? Ob sie es auch damit gequält hatten?
    Der Gedanke war viel zu abscheulich, als dass Dirk ihn hätte weiterverfolgen können. Bisher war es sein absoluter Albtraum gewesen, von Ratten zu Tode genagt zu werden. Nicht, dass das seinen Schrecken verloren hatte, aber der Tote zu seinen Füßen gemahnte ihn daran, dass die Hölle für jeden Menschen anders aussehen konnte.
    »Oh Gott …« Lubaya trat einen Schritt näher. »Das ist ja … Die Folie … Sie hat seine Gesichtszüge verzerrt …«
    »Ja«, sagte Kinah grimmig. »Das ist Achmed.«
    »Achmed … Der nette Junge, der mich immer gefragt hat, ob er noch etwas für mich tun kann …« Lubaya schluckte hörbar. »Mein Gott … Wer macht so etwas?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Kinah mit erstickter Stimme. »Und ich will es auch gar nicht wissen.«
    »Und warum tut jemand so etwas?«, fuhr Lubaya fassungslos fort. »Achmed war ein netter, hilfsbereiter junger Mann. Aus welchem Grund sollte jemand ihn umbringen?«
    »Aus demselben Grund, aus dem dieser Jemand vielleicht auch die anderen getötet hat, die nicht zurückgekehrt sind«, sagte Kinah leise.
    »Was?«
    »Wir haben doch immer befürchtet, dass ihnen etwas zugestoßen sein könnte«, wisperte Kinah. »Oman, Mike, Parkar … Soll ich die Liste fortsetzen?«
    »Nein!« Lubaya schrie es fast. »Glaubst du etwa, dass man sie alle … umgebracht hat?«
    »Der Verdacht liegt nahe, oder?«, fuhr Kinah unbarmherzig fort. »Und es waren nicht nur Männer, die nie wiederkamen. Es waren auch Frauen. Zum Beispiel Shaila …«
    Lubaya presste sich die Hände auf die Ohren. »Ich will nichts mehr darüber hören!«
    Kinah nickte langsam. »Ich auch nicht«, flüsterte sie. »Und ich will auch nicht mehr darüber nachdenken, denn das habe ich getan, seitdem ich Achmed hier entdeckt habe – und in Panik geriet und wegrannte, als wären tausend Furien hinter mir her. Seitdem versuche ich, den Sinn hinter all dem zu finden.«
    Lubaya nahm die Hände wieder herunter. »Ein Verräter«, murmelte sie tonlos.
    Kinah nickte. »Einer oder mehrere. Menschen, die uns benutzt haben. Uns, das alte Wissen und Jans Forschungen. Alles, womit wir die schrecklichen Folgen der götterlästernden Handlungen der Menschheit verhindern und die vielen gebrochenen Versprechen wiedergutmachen wollten – die betrügerischen Klimakonferenzen, die blinde Jagd nach Geld, die dumpfe Ignoranz. Diese ungeheure, niederträchtige Energie, die sich mit den alten Gottheiten der Zerstörung verbindet und alles hinwegreißen wird, was unsere Ahnen mühsam aus Stein und Lehm erschaffen haben.«
    Kinah sprach mit einer Inbrunst, wie Dirk sie nur selten bei ihr erlebt hatte. Sie hatte diese flammende Rede nicht zum ersten Mal gehalten, das war offensichtlich, genauso offensichtlich wie der Umstand, dass sie von ihren Worten zutiefst überzeugt war, Aber wie lange schon? Hatte sie etwa lediglich vorübergehend für einige Jahre bei ihm Zuflucht gesucht, um sich dann ihrer eigentlichen Bestimmung zuzuwenden? Hatte sie deswegen gar nicht anders gekonnt, als ihn und Akuyi zu verlassen?
    Kinah starrte hinunter auf den Leichnam. »Wer auch immer uns Achmed genommen hat – er hat genau gewusst, was er tat.« Sie blickte auf und zu Lubaya. »Seit wie vielen Tagen vermissen wir ihn?«
    »Ich weiß nicht genau«, antwortete Lubaya. »Ist er nicht mit einem Boot hinausgefahren?« Sie nahm die Taschenlampe wieder an sich, ging neben dem Toten in die Hocke und streckte vorsichtig die Hand aus. »Wenn er es überhaupt noch geschafft hat, den Fuß in ein Boot zu setzen, dann ist er jedenfalls nicht sehr weit gekommen.«
    Ganz langsam strichen ihre Finger über den Arm des Mannes, der durch die Folie eng an seinen Körper gepresst wurde. »Die Folie ist feucht. Und da …« Sie deutete auf Fußspuren im Staub, die irgendwo in der

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