Sturm: Roman (German Edition)
das Flugzeug zu. »Wir müssen los. Aufräumen und saubermachen kann Jurij später selbst. Apropos … wo steckt unser Superpilot eigentlich?«
»Hierr!«, ertönte es überraschend fröhlich. Dirk drehte sich um. Am anderen Ende der Halle tauchte Jurijs weißer Schopf aus einem Haufen von Leder- und Kunststoffabdeckungen auf. Hinter ihm blinkte eine metallene Werkbank, die wahrscheinlich mindestens so alt war wie er selbst. Umso erstaunlicher, dass sie weder rostig noch vergammelt, sondern äußerst gepflegt wirkte. »Kommen Sie mal herr, jungerr Mann. Ich kann ein bisschen Hilfe gebrrauchen.«
Dirk blinzelte verständnislos.
»Ja, Sie meine ich«, sagte Jurij mit Ungeduld in der Stimme »Nun machen Sie schon! Oder wollen Sie Ihnen Verrfolgerrn in die Hände fallen?«
Blöde Frage. Dirk setzte sich sofort in Bewegung. »Was ist?«, fragte er rüde und blieb vor dem Alten stehen.
»Das da ist.« Jurij deutete auf etwas, das in eine alte Plane eingewickelt war. »Wir müssen es zu zweit trragen. Fürr mich alleine ist es zu schwerr«
Dirk starrte misstrauisch auf die fest zusammengezurrte Plane. Der Gegenstand darin hatte ungefähr die Größe eines Kindes. »Was ist das?«
»Unserre kleine Rrückverrsicherrung«, antwortete Jurij.
»Ich hoffe, Sie meinen damit nicht das, was ich befürchte.«
»Ich befürrchte, ich meine genau das.« Jurij grinste breit. »Nun packen Sie schon an, mein Junge. Ich muss die Maschine noch starrtklarr machen.«
»Wenn das ein MG ist …«
»Dann kann es uns das Leben rretten, wenn es brrenzlig wirrd«, schnarrte Jurij. Er bückte sich und packte das schmalere Ende des Maschinengewehrs – den Lauf. Dirk wollte noch einmal in aller Deutlichkeit protestieren, aber in diesem Moment tauchte Kinah neben ihm auf.
»Schnell, Leute«, sagte sie besorgt. »So, wie es aussieht, halten mindestens zwei Wagen auf uns zu. Ich habe keine Lust, den Kerlen zu begegnen, denen wir in der Höhle gerade noch entwischt sind.«
»Also doch Verrfolgerr.« Jurijs Augen flackerten auf eigentümliche Weise. »Dann pack du auch mit an, Mädchen. Damit wirr schnell in die Luft kommen!
Kapitel 24
Dirk suchte mit zitternden Fingern in dem muffig riechenden Rucksack herum, den ihm Kinah zugeworfen hatte. Ihm war schlecht. Da half es auch nichts, dass seine rechte Hand schon fast wieder einsatzfähig war und selbst der beißende Schmerz in seiner Wade nachgelassen hatte. Das Brummen der niedertourig wummernden Flugzeugmotoren übertrug sich auf den Rumpf der alten Maschine und ließ in Dirks Körper jedes Organ und jede einzelne Zelle beben. Und das war nicht das Einzige, was ihm Unbehagen bereitete. Jurij flog einen abenteuerlichen Kurs.
Dirk hatte keine Ahnung, ob er den Flug überhaupt irgendwo angemeldet hatte, aber er verhielt sich zumindest nicht so. Als ginge es darum, ein feindliches Radar zu unterfliegen, hielt er die Lisunov unglaublich nah am Boden. Wenn eine Anhöhe oder Baumgruppe auftauchte, steuerte er die Maschine entweder links oder rechts daran vorbei, nur bei einer Häufung von Hindernissen zog er sie ein Stück hoch und zwang sie sofort danach derart rasch wieder hinunter, dass sein Manöver Dirk wie ein unkontrollierter Sturzflug vorkam, der irgendwann damit enden musste, dass sich die Flugzeugnase in den harten Steppenboden bohrte und eine schreckliche Explosion sie alle zerriss.
Ganz abgesehen von dem Sturm. Er verfolgte Dirk, seitdem die Linienmaschine Frankfurt–Casablanca zur Landung angesetzt hatte, und würde nicht eher ruhen, bis er ihn erwischt hatte. Dessen war sich Dirk ganz sicher. Allerdings zweifelte er immer stärker daran, dass es tatsächlich der Thunderformer war, den man gegen ihn einsetzte. Nein, es musste etwas anderes sein, etwas viel Älteres. Eine archaische Kraft, vollkommen unbegreiflich für ihn und auch sicherlich für alle anderen, die ihr ausgeliefert waren. Und doch begann sich etwas in ihm wie in Resonanz auf das einzuschwingen, was ihnen drohte, wenn sie den Sturm weiter herausforderten und Kinahs alte Götter bis zu Weißglut reizten.
Eigenartige Gedanken und Bilder tauchten in ihm auf. Sie hatten mit dem Albtraum zu tun, in dem er Akuyi inmitten eines Unwetters auf einem gegenüberliegenden Hügel hatte stehen sehen, auf einer schwer zugänglichen Anhöhe, wie sie typisch für das Land der Tausend Hügel sein mochte, zu dem sie jetzt unterwegs waren. Der Traum besaß eine große Symbolkraft. Nicht nur ein Unwetter hatte ihn von seiner Tochter
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