Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sturm: Roman (German Edition)

Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Sturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
offenbar in den Felsen gesprengt und gehauen worden waren – und das wohl in verschiedenen Epochen, denn Dirks Blick schweifte sowohl über geborstene Holzstempel und verrostete Eisenträger als auch über blanke Stahlverstrebungen.
    Dann blieb er an etwas hängen, das sich als riesiges Rolltor herausstellte. Die beiden Torflügel standen anscheinend schon seit langer Zeit offen, denn in den in den Boden eingelassenen Schienen, über die ihre Rollen einst geglitten waren, hatte sich jede Menge Dreck angesammelt. Dirk stieß keuchend die Luft aus. Er begriff, dass er genau den Teil des unterirdischen Labyrinths gefunden hatte, den Ventura suchte. Wenn der Thunderformer irgendwo war, dann hier. Er trat durch das Tor.
    Vor ihm erstreckte sich ein freies, ebenes Areal, das aussah wie die mit Unrat übersäte Tanzfläche einer Fabrikdisco. Aber dahinter schälte sich etwas aus dem Zwielicht, das ihn diese Vorstellung sofort vergessen ließ. In der Sicherheit und Abgeschiedenheit des ausgedehnten Höhlensystems hatte man einen unterirdischen Forschungskomplex angelegt. Wenige Schritte von Dirk entfernt begannen Gleise, die in der Tiefe der Anlage verschwanden und offensichtlich für den Transport schwerer Lasten gedacht waren. In den Felswänden links und rechts von ihnen befanden sich riesige Räume aus Stahl, Beton und Glas, groß genug, um als Labore, Büros oder Unterkünfte zu dienen.
    Die Lichtquellen an der Decke schienen nicht grell und weiß, sondern in einem warmen, gelblichen Ton, der beinahe etwas Anheimelndes hatte.
    Dirk fiel auf, dass diese Lampen die weitläufige Halle nicht so gleichmäßig ausleuchteten, wie man es bei einer Forschungsstation erwartete. Und das war nicht das einzig Merkwürdige. Hinzu kamen der Rost auf den Schienen, die abgeblätterte Farbe an den Stahlelementen, die blinden, zum Teil gesprungenen oder geborstenen Scheiben und das Gewirr von Fußspuren in der dicken Staubschicht, die den Boden bedeckte.
    Dirk ging ein paar Meter und hielt dann wieder inne. Diese Anlage war wohl kaum in den letzten Jahren errichtet worden, sondern bereits vor Jahrzehnten. Die einander wild kreuzenden Sohlenabdrücke zeugten allerdings davon, dass hier vor gar nicht langer Zeit hektische Betriebsamkeit geherrscht hatte. Parallel zu den Gleisen verliefen mehrere breite Spuren, als habe man irgendetwas oder -jemanden dort entlanggeschleift. Auf halber Höhe der Halle gab es eine Abzweigung, zu der besonders viele Spuren führten. Dirk beschlich ein ungutes Gefühl.
    Er setzte sich erneut in Bewegung und hielt auf die Stelle zu, an der sich die meisten Fußspuren kreuzten. Das Rumpeln und Krachen hinter ihm, das davon zeugte, dass das Erdreich noch nicht zur Ruhe gekommen war, schwoll an und veränderte sich. Erst kam ein Quietschen hinzu, dann ein hohes, singendes Geräusch, das kaum natürlichen Ursprungs sein konnte.
    Dirk fuhr herum. Die beiden Torflügel rollten zitternd aufeinander zu. Steinchen und Splitter, die in den Schienen lagen, wurden mit knirschenden Lauten zermahlen. Ein faustgroßer Felsbrocken erwies sich jedoch als stabileres Hindernis. Der rechte Torflügel bebte, und die Stahlrolle, die gegen den Brocken stieß, drehte ein paar Sekunden lang durch, bevor sie sich ganz leicht in Dirks Richtung neigte. Während der linke Flügel unerschütterlich weiterrumpelte, schien der rechte protestierend zu kreischen.
    Plötzlich flog der Felsbrocken wie von einer Kanone abgeschossen davon. Der rechte Flügel rollte sofort weiter, viel schneller als der andere und in sich schwankend, als würde er jeden Moment aus der Schiene springen.
    Dirk sah tatenlos zu. Er begriff sehr wohl, dass ihm der Rückweg abgeschnitten war, sobald sich das Tor schloss, und dass auch Noah dann nicht mehr zu ihm gelangen konnte – falls sein Sohn noch auf der anderen Seite war, was er nicht glaubte. Vielleicht hatte die Begegnung mit Noah einen in ihm schlummernden Instinkt geweckt, der ihm nun Dinge offenbarte, die bisher für ihn nicht fassbar gewesen waren.
    Noah befand sich ganz in der Nähe, davon war Dirk überzeugt.
    Er drehte sich wieder um und marschierte los, in die einzige Richtung, die für ihn infrage kam: zu der Abzweigung. Er spürte, dass sich dort sein Schicksal entscheiden würde. So oder so.
    Die nackte, kalte Panik, die ihn angesichts der Ratten beinahe überwältigt hatte, kehrte zurück. Er fühlte die Gegenwart des Todes, der ihn in sein schwarzes Reich ziehen wollte. Schon zuvor hatte er mit dem

Weitere Kostenlose Bücher