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Sturm: Roman (German Edition)

Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Sturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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aufstieg. Er hatte Jurij von Anfang an für verschroben gehalten, aber jetzt fand er ihn geradezu widerlich. Die Sauferei machte einen sabbernden Idioten aus ihm, der sie alle in Gefahr bringen würde, wenn sie nicht aufpassten.
    Er riss seinen Blick fast gewaltsam von dem alten Säufer los, der sich schon wieder die Cognacflasche an den Mund setzte, und wandte sich an Karel.
    »What about Kinah?«, fragte er.
    Boxernase funkelte ihn wütend an und richtete seine Aufmerksamkeit dann wieder auf das Halbdunkel vor ihnen.
    »We soon reach your wife«, sagte er und knurrte danach noch etwas in seiner Heimatsprache, das nicht besonders höflich klang.
    »Das gefällt mir nicht«, sagte Noah unvermittelt. »Wir rumpeln mit diesem Uraltpanzer durch die Gegend und tun so, als wären wir ganz alleine auf der Welt. Dabei müssen wir kilometerweit zu hören sein.«
    Dirk zuckte mit den Schultern. »Ventura ist anderer Meinung. Ich habe ihm vorhin genau das Gleiche gesagt, Noah.«
    »Und er hat behauptet, dass der Sturm Erd- und Gerölllawinen ausgelöst hat, die ein Riesengetöse machen, in dem niemand einen Panzer hören wird.«
    Noah rutschte ein Stück zurück und tastete suchend über die raue, verwitterte Oberfläche des Kettenfahrzeugs. Dirk ahnte, wonach er greifen wollte. Aber die Maschinenpistole hatte Ventura an sich genommen, bevor er im Inneren des Panzers verschwunden war.
    Dirk hätte am liebsten laut geschrien. Er fand die Situation unerträglich. Er hätte sich nie träumen lassen, dass er einmal mit seinem Sohn, den er gerade erst kennengelernt hatte, auf einem Panzer aus der Zeit des Kalten Krieges in einer unterirdischen Forschungsstation herumfahren würde, um irgendwelchen Schurken eine Massenvernichtungswaffe abzujagen und dabei auch gleich noch seine Tochter zu retten. Sein Verlangen, Kinah und Akuyi in die Arme zu schließen und gemeinsam mit ihnen und Noah so schnell wie möglich von diesen Ort zu verschwinden, wurde übermächtig.
    »Here we are«, sagte Karel.
    Er beschrieb mit dem Panzer eine Kurve, dann rumpelten sie in ein Areal, das noch schlechter ausgeleuchtet war als die letzten vier- oder fünfhundert Meter. Auf einmal bremste Karel derart heftig, dass Dirk mit Schwung nach vorne glitt, abspringen musste und einige Meter vorwärtstaumelte, bevor er das Gleichgewicht wiedererlangte.
    Schließlich blieb er in gekrümmter Haltung und mit wild pochendem Herzen stehen. Er vergaß Noah und die anderen, vergaß das Grollen und Poltern, das den im Leerlauf tuckernden Panzermotor übertönte und darauf hinwies, dass sich das Erdreich um sie herum tatsächlich bewegte. Er starrte wie hypnotisiert geradeaus.
    Ihr Panzer war nicht der einzige. Geschützrohre und schwere Maschinengewehre streckten sich ihnen im Halbdunkel entgegen wie ein makaberes Begrüßungskomitee. Die Umrisse der Kettenfahrzeuge, auf die sie montiert waren, verschmolzen mit dem schwarzen Hintergrund.
    Offensichtlich hatten sie einen alten Fuhrpark entdeckt, der vielleicht schon vor Jahrzehnten seinem Schicksal überlassen worden war.
    Und vor einem Pritschenwagen, dessen Ladeplane in sich zusammengesackt war, saßen und lagen mehrere Personen. Dirk wusste sofort, um wen es sich handelte. Mit hastigen Schritten lief er zu ihnen.
    Lubayas schwarze, massige Gestalt war kaum zu erkennen, sehr wohl aber Jans leichenblasses Gesicht, das auf ihren Schoß gebettet war. Kinah hockte daneben, hatte die Knie an den Oberkörper gezogen und die Arme darum geschlungen, als fröre sie. Sie blickte nur flüchtig auf und starrte dann wieder zu Boden.
    Dirk setzte sich zu ihr und betrachtete Olowski. Seine Augen waren geschlossen, und er atmete schwer. Das bisschen Licht, das bis hierher drang, spiegelte sich in den Schweißtropfen auf seiner Stirn.
    »Es ist gut, dass du da bist«, sagte Kinah mit belegter Stimme und ohne ihn anzusehen. »Ich dachte schon, du kommst nicht mehr.«
    »Doch, natürlich«, versicherte Dirk hastig. »Mir sind nur ein paar Ratten dazwischengekommen …« Er verstummte, denn im Grunde war es nebensächlich, was ihn aufgehalten hatte. Nur für ihn selbst war die Begegnung mit den Ratten wichtig, weil er seine Angst vor den Tieren endlich bezwungen und damit sein Kindheitstrauma überwunden hatte.
    »Jan geht es sehr schlecht«, stieß Kinah hervor. »Wir müssen ihn schleunigst hier wegbringen.«
    Ihr Tonfall verriet, dass sie nicht daran glaubte, jemals aus diesem unterirdischen Labyrinth herauszukommen. Während Dirk noch

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