Sturm: Roman (German Edition)
Alkohol wirkte bei ihm scheinbar inzwischen eher dämpfend als aufputschend, denn er schwieg, statt weiterhin dumme Bemerkungen zu machen. Dirk empfand allerdings nur wenig Erleichterung darüber. Während der Kampfpanzer rumpelnd vorwärtsrollte und das Grollen sich bewegender Geröllmassen erst anschwoll und dann allmählich nachließ, fragte er sich zum wiederholten Mal nach dem Sinn dieses Feldzuges.
»Was …« Noah räusperte sich. »Was sind das eigentlich für Männer, mit denen wir es zu tun haben?«
»Keine Ahnung«, murmelte Dirk.
»Aber ich habe eine Ahnung«, behauptete Jurij mit heiserer, schwer verständlicher Stimme. »Und sogar mehr als das.«
»Dann schieß los!«, forderte Noah ihn auf.
Jurij starrte auf den Karabiner, den Karel zusammen mit Dirks Pistole und einigen anderen Waffen in einem alten Armeelaster gefunden hatte. »Hinter dem Thunderformer sind mächtig viele Leute her. Geheimdienste, vielleicht sogar Terroristen. Keine Ahnung.«
Noah musterte Jurij. »Ich dachte, du hättest Ahnung!«
Jurij blickte wieder auf, vermied es aber, Noah oder Dirk anzusehen. »Dieser Ventura, der gerade unter uns im Innenraum hockt und Ladeschütze spielt, um das Geschütz klarzumachen – der ist einer von der ganz gefährlichen Sorte. Ich bezweifle, dass wir ihm wirklich trauen können. Der lässt uns doch fallen wie eine heiße Kartoffel, wenn er den beschissenen Thunderformer erst einmal aufgestöbert hat!«
»Du erzählst mir nichts Neues, alter Mann«, antwortete Noah. »Schon Shimeru hat mich davor gewarnt, dass fanatische Krieger ihre Ziele ohne Skrupel verfolgen. Abgesehen davon wäre ich nie auf die Idee gekommen, einem Mann zu vertrauen, der einen derart harten Blick hat.«
»Gut, Jungchen«, brummte Jurij. »Das solltest du im entscheidenden Moment nicht vergessen. Sonst könnte es für uns alle übel ausgehen.«
»Ja, genauso übel, wie sich auf einen Säufer zu verlassen.«
Jurij starrte wütend auf die Flasche in seiner Hand, als wollte er sie Noah in der nächsten Sekunde über den Kopf ziehen. Doch stattdessen holte der Alte aus und warf sie in hohem Bogen davon. Sie knallte vor dem Panzer auf den Boden und zersprang in tausend Stücke, und was von ihr noch übrig war, wurde von der Kette zermalmt.
»Ich werde deinen Rat befolgen und Ventura nicht aus den Augen lassen«, sagte Noah ruhig. »Damit ist meine Frage allerdings noch nicht beantwortet.«
»Und ob.« Jurij hob den Karabiner hoch. »Ventura ist der Einzige aus dieser ganzen Geheimdienstbande, der klug genug war, so zu tun, als sei er unser Freund und Verbündeter. Damit ist er seiner Konkurrenz meilenweit voraus. Die hüpfen wahrscheinlich gerade draußen herum und versuchen, sich vor dem Sturm in Sicherheit zu bringen. Falls sie nicht schon im wahrsten Sinne des Wortes vom Winde verweht sind.«
Er lachte kurz auf, aber es klang bitter.
»Geheimdienste und Terroristen interessieren mich nicht«, schaltete sich Kinah ein. »Jan braucht dringend einen Arzt. Und dadurch, dass er da unten im Panzer liegt und durchgeschüttelt wird, verbessert sich sein Zustand nicht gerade.«
»Lubaya ist ja bei ihm«, sagte Noah. »Sie wird sich schon um ihn kümmern.«
Kinah rutschte näher an Dirk heran und legte ihre Hand auf seinen Oberschenkel, als würde sie Halt suchen. »Lubaya tut, was sie kann, und das ist eine ganze Menge. Aber wir müssen nicht nur Jan so schnell wie möglich hier rausbringen, sondern vorher auch noch Akuyi finden!«
»Das werden wir«, versprach Jurij mit einem grimmigen Unterton, in dem eher Verzweiflung als Hoffnung mitschwang. »Ich habe nämlich schon einen Plan.«
»Und der wäre?«, fragte Kinah.
»Wir halten nach den Farbwirbeln Ausschau, die diesen Thunderformer verraten, zerstören das Scheißding, sammeln eure Tochter auf und hauen ab.«
»Toller Plan«, kommentierte Dirk, und Noah sagte: »Ich möchte jetzt endlich wissen, gegen wen wir diese blöden Waffen einsetzen sollen!« Er schwenkte den großkalibrigen Revolver, den Karel ihm in die Hand gedrückt hatte. »Euch ist doch wohl klar, dass man damit weder den Sturm erschießen kann noch die Dämonen und Geister, die hier wüten!«
»Die vielleicht nicht«, gab Jurij zu. »Aber dafür die Sicherheitsmannschaft, die den Thunderformer bewacht.«
»Klar.« Noah wog den Revolver in der Hand. »Abgesehen davon, dass ich erstens gar nicht weiß, ob dieses Ding überhaupt funktioniert, und zweitens nicht die geringste Lust habe, Menschen zu
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