Sturm: Roman (German Edition)
ihn sein Gegenüber. »Das ist meine Terrasse. Also machen Sie sich vom Acker!«
Darauf sagte Dirk erst einmal gar nichts. Das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte, war ein Streit.
»Ich suche wirklich jemanden«, versuchte er es erneut. »Und ich will Sie keineswegs belästigen.«
»Warum tun Sie es dann?«, fragte der Langhaarige scharf.
»Tun wir das denn nicht alle?«
»Was?«
»Einander belästigen …«
Der Langhaarige machte eine ärgerliche Handbewegung. »Verarschen kann ich mich allein. Also hauen Sie endlich ab!«
Als Dirk nicht reagierte, trat der Langhaarige drohend einen Schritt auf ihn zu. Doch plötzlich hielt er inne, was wohl weniger an Dirk als vielmehr an John und Janette lag, die gerade um die Ecke bogen, dicht gefolgt von Biermann.
»Hey, was wird das denn?« Der Langhaarige wandte sich mit den unsicheren Bewegungen eines Betrunkenen zu den Neuankömmlingen. »Wenn ihr hier Party machen wollt, seid ihr verkehrt. Das ist ein ruhiger und friedlicher Ort. Also verpisst euch!«
Rastalocke runzelte die Stirn. Es sah nicht besonders vertrauenerweckend aus. »Hast du was zu rauchen, Kumpel?«, fragte er.
Der Langhaarige starrte ihn verblüfft an. »Rauchen? Was soll ich denn zu rauchen haben?«
»Na ja, ein bisschen schwarzen Afghanen vielleicht.« Rastalocke bleckte die Zähne zu einem Grinsen, das sein nikotingelbes Lückengebiss besonders gut zur Geltung brachte. »Oder raucht ihr hier schwarzen Marokkaner?«
Der Langhaarige schüttelte den Kopf. »Nee, und auch keinen braunen, sondern grünen Marokkaner. Nicht zu verwechseln mit grünem Tee.« Er kicherte dämlich.
Dirk blickte irritiert von einem zum anderen. Er konnte nicht behaupten, dass er verstand, was gerade vor sich ging.
»Aber ganz abgesehen davon …« Der Langhaarige wurde wieder ernst und musterte Rastalocke misstrauisch. »Ich kenn' dich doch gar nicht!«
»Das stimmt«, mischte sich Biermann ein. Er griff in die Tasche seines Jacketts und holte etwas hervor, was eigentlich nur ein Ausweis sein konnte. »Und wir interessieren uns nicht für kleine Fische wie Sie, sondern für die Hintermänner. Deswegen haben Sie doch sicher nichts dagegen, wenn wir einen kurzen Blick in Ihren Bungalow werfen.«
»Einen Blick in meinen Bungalow?«, ächzte der Langhaarige. »Meinen Sie, ich lass Sie rein, nur weil Sie mit diesem bescheuerten Ausweis rumwedeln? Mit dem können Sie sich den Hintern abwischen. Oder glauben Sie tatsächlich, Sie hätten in Marokko irgendwelche Befugnisse?«
»Warum sonst ist dieser Ausweis wohl auf Englisch ausgestellt?«, fragte Biermann sanft.
Der Langhaarige blinzelte nervös.
»Könnte doch sein, dass ich international Befugnisse habe, oder?«, fuhr Biermann leise fort.
»Wofür? Um hier den wilden Mann zu spielen?«
»Den wilden Mann«, entgegnete Biermann, »spiele ich bestimmt nicht.« Er nickte Rastalocke kurz zu. »Ruf sie an.«
Rastalocke zog eine Augenbraue hoch. »Die Nummer?«
»Ja, die Nummer.« Biermann richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den Langhaarigen. »Wissen Sie, ich habe tatsächlich nicht alle Befugnisse, die ich brauche. Aber ich habe die Möglichkeit, sie mir zu beschaffen.«
»Ich verstehe nicht.« Der Langhaarige blinzelte, während sich Rastalocke ein paar Meter weit entfernte und sein Handy zückte.
»Keine Sorge, das werden Sie schon«, erwiderte Biermann. »Spätestens dann, wenn die marokkanischen Kollegen auftauchen. Und ich kann Ihnen versichern: Die sind nicht so zimperlich wie deutsche Bullen.«
Der Langhaarige wurde blass. »Hören Sie … Können wir nicht …«
»Wir werfen einen Blick in das Haus.« Biermann hob die Hand an seine Stirn, packte das Pflaster und riss es mit einem Ruck ab. »Und nach der klitzekleinen Besichtigung sind wir sofort wieder weg. Aber wenn Ihnen das lieber ist, warten wir gern auf unsere marokkanischen Kollegen …«
Der Langhaarige starrte auf den breiten, frisch verschorften Schnitt auf Biermanns Stirn und schluckte.
»Also, was ist?« Biermann knüllte das Pflaster zusammen und warf es dem Langhaarigen vor die Füße. »Wir haben nicht den ganzen Abend Zeit!«
Der Langhaarige schluckte noch einmal und zuckte mit den Achseln. »Na gut, dann bitte sehr!« Er funkelte Biermann mit einer Mischung aus Wut und Unsicherheit an, drehte sich dann abrupt um und stampfte auf das blutrote Meer zu. »Aber bringt mir nichts durcheinander!«, rief er über seine Schulter hinweg, bevor er sich am Strand auf einen umgedrehten
Weitere Kostenlose Bücher