Sturm: Roman (German Edition)
ballte die Fäuste. »Einen Mädchenhändlerring, der schwarze Mädchen nach Afrika bringt«, fuhr Mario hastig fort. »Verrückt, nicht? Man sollte meinen, dass sie dort genug von der Sorte haben. Aber diesen Schlepperbanden geht es um europäisch erzogene, gebildete Mädchen, die sie über Nordafrika auf den schwarzen Kontinent schmuggeln.«
Dirk starrte seinen Freund für ein paar Sekunden schweigend an und lehnte sich dann schwer atmend zurück. »Du spinnst.«
»Ich spinne überhaupt nicht.« Mario blickte hinaus auf die Straße. »Es gibt Beweise für eine solche Connection.«
»Dann gib mir den Link.« Dirk griff in seine Tasche, holte seinen Tablet-PC hervor und beendete mit einem Tastendruck den Stand-by-Modus, in dem dieser die vergangenen zwei Stunden geschlummert hatte. »Los! Sag mir, wo ich diesen Hinweis auf Akuyi finde, den du angeblich ausgegraben hast!«
»Ja, natürlich.« Mario kramte in seinen Taschen. »Ich hatte es mir doch irgendwo notiert … ja hier, genau …« Er reichte Dirk einen grünen Zettel, auf dem eine Web-Adresse vermerkt war.
Dirk tippte die Adresse mit fliegenden Fingern ein und drückte die Return-Taste. Die Seite baute sich nur ruckelnd auf, und langsamer als bei seinem Computer zu Hause, aber immerhin. Der Mobilzugriff auf das Internet ermöglichte es ihm, Marios Hinweis sofort nachzugehen.
»Nicht viel zu erkennen«, sagte er, als das Bild vollständig war. »Eine dunkle Höhle. Menschen, die am Boden kauern. Und daneben irgendetwas in Russisch.«
»In Russisch?« Mario streckte die Hand aus und wollte den Tablet-PC zu sich ziehen.
Dirk wehrte ihn mit einer Geste ab. Irgendetwas an dieser Höhle kam ihm … komisch vor. Vielleicht war es das grünlich schimmernde Licht, vielleicht waren es die jungen Mädchen und Frauen, die dort hockten …
Dirk blinzelte. Die Erinnerung daran, dass er Mario mit wenigen Sätzen in die Wüste geschickt hatte, war so schmerzlich, dass er sie die ganze Zeit über tief in sich vergraben hatte. Er blieb stehen, atmete keuchend ein und aus und hielt sich an einem Felsen fest. Bisher hatte er keinen Weg aus dieser fürchterlichen Grotte gefunden. Das alles hätte nicht passieren dürfen. Er war Akuyi so nahe gewesen – aber er hatte es vermasselt.
Er stieß sich ab und stolperte weiter, wobei er sich mit der linken Hand den schmerzenden, dumpf pochenden rechten Arm hielt. Das undeutliche Foto, auf das Mario gestoßen war – Mario, der von sich selbst behauptete, er könne einen Computer nicht von einem Toaster unterscheiden, und der dann doch alles darangesetzt hatte, in den Weiten des Internets eine Spur von Akuyi zu finden, nur um von ihm abgewatscht zu werden –, das Foto war vielleicht genau hier aufgenommen worden. In dieser Höhle mit den hoch aufragenden Wänden und dem überwiegend trockenen Boden, auf dem Tang, Muscheln und allerlei Unrat lagen. Ein grünes, merkwürdig stofflich wirkendes Licht ließ seine Umgebung wie im Nebel verschwimmen.
Die Erkenntnis, dass Mario ihm die richtige Spur auf einem Silbertablett präsentiert hatte und er zu blöd gewesen war, um zuzugreifen, machte ihn fast wahnsinnig. Die Geschichte von den europäischen, dunkelhäutigen Schönheiten, die entführt wurden, um an irgendwelche perversen Superreichen in Afrika verschachert zu werden, war ihm seinerzeit viel zu grotesk vorgekommen, als ein Hirngespinst unter vielen, keine wirkliche Spur, sondern nur ein Fake, der ihn von der eigentlichen Suche nach Akuyi abgelenkt hatte.
Dabei war Akuyi vielleicht die ganze Zeit über hier gewesen. Welch eine unerträgliche Vorstellung. Er hatte versagt, hatte alles falsch gemacht, was man nur falsch machen konnte, hatte den einzigen Anhaltspunkt, der ihn auf die Spur seiner Tochter hätte bringen können, links liegen gelassen, um sich dem Alkohol zu ergeben und Hinweise zu verfolgen, die ihn immer nur in Sackgassen geführt hatten. Dümmer hätte er es gar nicht anfangen können. Der Schmerz, den er bei diesem Gedanken empfand, war viel schlimmer als das Brennen in seiner Hand und die Vorstellung, dass die Ratte ihn durch ihren Biss mit etwas infiziert hatte, wodurch erst sein Arm abfaulen und er dann elendig verrecken würde.
Dirk stöhnte. Das altbekannte Verlangen nach Alkohol stieg in ihm auf, diese fürchterliche Gier nach Schnaps, Whiskey, Wodka, irgendetwas, das geeignet war, seine Sinne so weit wie möglich zu betäuben. Er hasste sich dafür, hasste sich für diese Schwäche, die ihn selbst hier
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