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Sturm: Roman (German Edition)

Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Sturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Kinder es vermochten. Mit einer Verzweiflung, die den ganzen Schmerz ihrer Kinderseele offenbarte, doch zugleich voller Energie, voller Verlangen, endlich erlöst zu werden – und voller Wut, in der das Versprechen lag, dass sie »nie, nie, nie wieder« mit ihm reden würde, wenn er ihr nicht die richtige Antwort gab, dass sie dann aufspringen, in ihr Zimmer laufen und die Tür mit einem ohrenbetäubenden Knall hinter sich zuschlagen würde.
    »Ich weiß nicht, wo Mama ist«, stieß Dirk hervor. Seine Kehle war trocken, sein Verlangen nach einem Schluck Alkohol übermächtig. »Aber ich weiß, wo sie nicht ist: in einem Krankenhaus oder etwas Ähnlichem.«
    Akuyi wusste wahrscheinlich sehr genau, was er mit etwas Ähnlichem meinte, obwohl er es in den vergangenen zwei Tagen tunlichst vermieden hatte, seine schlimmsten Befürchtungen zu äußern. Akuyi war mit ihren dreizehn Jahren nicht mehr wirklich Kind, aber auch noch kein richtiger Teenager, sie machte gerade ihre ersten, zaghaften Schritte in der Welt der Erwachsenen.
    Jedenfalls hatte sie das, bis Kinah verschwunden war – sie beide verlassen hatte, wie sich Dirk voller Bitterkeit korrigierte. Und wie es jetzt aussah, würde Akuyi viel schneller und früher erwachsen werden, als er sich das für sie erträumt hatte.
    »Habt ihr euch gestritten?«
    Akuyi stellte diese Frage nicht zum ersten Mal. Natürlich hatten Kinah und er sich gestritten. Es verging keine Woche, in der es nicht zu einer temperamentvollen Auseinandersetzung zwischen ihnen kam. Das mochte nicht gut und nicht richtig sein, wenn man gemeinsam ein Kind großzuziehen hatte, aber es war ein Bestandteil ihrer Beziehung gewesen, genau wie die Zärtlichkeit und die wilden Augenblicke, in der ihrer beider sexuelle Energie auf eine Weise explodiert war, wie er es noch nie zuvor erlebt hatte.
    »Bevor sie … verschwunden ist, in der Sturmnacht, in der du zu uns ins Bett gekommen bist, weil dich das Tosen und Heulen so erschreckt hat – da war doch alles in Ordnung«, murmelte er kraftlos.
    »Nein.« Akuyi schüttelte den Kopf. »Es war nicht in Ordnung. Du bist wie wild im Haus herumgerannt …«
    »Ich musste die Fenster kontrollieren und alles fest verriegeln«, unterbrach sie Dirk. »Aber danach bin ich gleich wieder ins Bett gekommen!«
    »Und wo war Mama da gerade?«
    Dirk runzelte die Stirn. »Sie war bei dir und hat dich getröstet.«
    Akuyis Augen schossen Blitze auf ihn ab. »Und dann ist sie aufgesprungen und hat dich gefragt, ob du auch in der Garage warst und nachgesehen hast, ob die Tür richtig eingerastet ist, die du schon seit Ewigkeiten reparieren wolltest.«
    »Die hatte ich doch bereits kontrolliert.« Dirk hatte keine Ahnung, worauf Akuyi hinauswollte. Noch weniger verstand er, warum sich sein Gewissen meldete und an ihm zu nagen begann. »Und das habe ich ihr auch gesagt!«
    »Aber Mama ist trotzdem losgestürmt. Sie hatte panische Angst um ihre Skulpturen.«
    So, wie Akuyi das Wort aussprach, klang es eher wie Skulpschturen. Aber nicht das war es, was Dirk ärgerte, sondern ihr vorwurfsvoller Tonfall.
    »Ja, die hatte sie immer«, antwortete er grimmig. Er brauchte Akuyi gar nicht in die Augen zu sehen, um zu wissen, wie sehr diese Bemerkung sie traf.
    »Die Skulpschturen waren Mama sehr, sehr wichtig«, sagte Akuyi schrill. »Aber davon wolltest du ja nichts wissen. Du hast ihr deswegen immer nur Vorwürfe gemacht.«
    »Das stimmt doch gar nicht!«, protestierte Dirk. »Wir haben nach einem Kompromiss gesucht.«
    »Du hast sie ihr wegnehmen wollen«, beharrte Akuyi. »Und Mama hat immer wieder gesagt, dass sie sie nicht hergeben wird. Und jetzt ist Mama weg.«
    Dirk war fassungslos. »Und warum hat sie ihre geliebten Skulpschturen dann nicht mitgenommen?«
    Diesen verbalen Giftpfeil hätte er auf Kinah abschießen dürfen, nicht aber auf Akuyi. Er bemerkte, dass ihr Blick für einen Sekundenbruchteil flackerte. Doch dann warf sie den Kopf in den Nacken, wie sie es sich von ihrer Mutter abgeschaut hatte, und sah ihn derart herablassend an, dass sich Dirk beherrschen musste, um seine leichtfertige Äußerung nicht durch einen noch viel dümmeren Spruch zu toppen.
    »Du hast deswegen mit ihr gestritten!«, fauchte sie. »Immer wieder. Und damit hast du sie weggetrieben.«
    Das saß. Dirk hätte entgegnen können, dass das nicht stimmte, er hätte sich verteidigen können (und vielleicht auch müssen). Aber er brachte kein Wort heraus. Die Art, wie Akuyi ihm gegenüberhockte, so

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