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Sturm: Roman (German Edition)

Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Sturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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bringen – irgendwann hatte er nicht mehr gekonnt.
    Am Ende war es immer nur eine Ratte gewesen, die ihn angesprungen und sich in ihm festgebissen hatte. Die Ratte, die auch den Spielzeugsoldaten umgebracht, ihn von seinem Papierschiffchen gestoßen hatte …
    »Gallwynd?« Das war Olowskis Stimme. Dirk blinzelte mehrmals, konnte jedoch nichts erkennen als einen dunklen, von langen Haaren umrahmten Schatten, der sich über ihn beugte. Anscheinend hatte sich Olowski von seinem Platz erhoben und stand jetzt vor ihm. Aber wo war Lubaya?
    »Sie müssen bei Bewusstsein bleiben, hören Sie?«, sagte Olowski laut. »Wenn Sie zulassen, dass Sie ohnmächtig werden, sterben Sie.«
    Sterben. Ja. Wenn es sein musste. Er hatte versagt, er hatte seine Frau nicht halten, seine Tochter nicht beschützen können. Und dieser klägliche Versuch, die beiden wiederzufinden …
    »Wenn du jetzt aufgibst, weißer Mann, dann war alles umsonst«, donnerte Lubayas Stimme im Hintergrund. »Willst du es tatsächlich so enden lassen? Willst du deine Frau verraten?«
    Die Frage war absurd, aber sie erreichte den Teil in ihm, der sich nach wie vor erbittert dagegen wehrte, in die verlockende Schwärze abzutauchen und alles hinter sich zu lassen.
    »Wir werden Kinah suchen.« Olowski griff nach dem Notebook und klappte es auf. »Sobald Sie wieder einigermaßen bei Kräften sind. Und sobald Sie begriffen haben, warum sie gar nicht anders konnte, als Sie zu verlassen.«
    »Gar nicht anders konnte? Haben Sie einen Knall?« Als Olowski nicht sofort antwortete, fügte Dirk hinzu: »Sie hatten natürlich nichts dagegen, dass Kinah zu Ihnen gezogen ist. Sie ist eine attraktive Frau, nicht wahr?«
    Olowski musterte ihn über den Rand seiner Brille hinweg. »Kinah ist nicht zu mir gezogen. Sie ist hierher an diesen außergewöhnlichen Ort gezogen, um die Mission zu erfüllen, die sie zu erfüllen hat.«
    »Und deswegen musste sie bei Nacht und Nebel abhauen?«, fragte Dirk scharf.
    »Nein. Aber wenn man seine Familie vor einer Gefahr beschützen will, bleibt einem manchmal nichts anderes übrig, als alle Brücken hinter sich abzubrechen.«
    »Das klingt wie die billige Ausrede eines Mannes, der einem anderen die Frau ausgespannt hat«, polterte Dirk. »Also klappen Sie Ihre blöde Kiste zu und sagen Sie mir, warum Kinah mich verlassen hat!«
    »Genau das habe ich ja vor«, erwiderte Olowski säuerlich. »Doch dazu muss ich etwas ausholen.«
    »Ich hole auch gleich aus«, stieß Dirk aggressiv hervor. »Also raus mit der Sprache, verdammt noch mal!«
    Olowski seufzte und schüttelte den Kopf. »Ihre Frau hat mir schon gesagt, dass Sie sich manchmal nicht ganz im Griff haben. Aber glauben Sie mir: In unserer Lage hilft Polterei auch nicht weiter.«
    »Ich poltere doch nicht.« Dirk Stimme war jetzt kaum mehr als ein ersticktes Flüstern. »Ich habe nur etwas gegen Menschen, die sich zwischen mich und meine Frau stellen. In dem Fall kann ich ziemlich ungemütlich werden.«
    »Diese Art gepflegter Konversation haben wahrscheinlich schon die Neandertaler geführt.« Olowski starrte ärgerlich auf den Bildschirm und drückte eine Taste. Das Lüfterrauschen, das eben noch kaum zu hören gewesen war, schwoll plötzlich zur Lautstärke einer auf Hochtouren laufenden Klimaanlage an. »Aber jetzt will ich erst einmal sehen …« Der Rest seines Satzes ging in dem Klappern und Klirren unter, das plötzlich aus einem Winkel der Grotte schallte, den Dirk nicht einsehen konnte. Dann rief Lubaya etwas in einer Sprache, die genauso wenig deutsch war wie die ganze Heilungsprozedur, die sie ihm angedeihen ließ. Die Verwandlung einer Frau afrikanischer Herkunft in eine afrikanische Frau schien in vollem Gange zu sein. Was auch immer sie dort trieb: Es hatte sicherlich nichts mit den Hilfs- und Heilmitteln zu tun, die man in deutschen Arztpraxen auf Krankenschein bekam.
    »Neandertaler haben aber nicht mit Schrotflinten herumgefuchtelt«, sagte Dirk mühsam beherrscht. »Und auf Frauen geschossen haben sie auch nicht.«
    »Ich habe auf niemanden geschossen.« Olowski seufzte und betätigte eine Taste, was der Rechner mit einem heftigen, beinahe protestierend klingenden Piepton quittierte. »Also gut. Sie wollen Antworten. Sie wollen wissen, warum ich diese Schmierenkomödie aufgeführt habe, als Sie und Ihre … Kollegen gestern hier aufgetaucht sind.«
    »Ich wüsste übrigens gerne, wo diese Kollegen jetzt stecken«, warf Dirk ein. »Es gab eine Menge – Aufregung.

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