Sturm ueber Cleybourne Castle
Mut."
„Das mag ja alles richtig sein, aber wir haben überhaupt keinen Beweis dafür, dass es Darius war. Es gibt überhaupt keinen Grund dafür. Schließlich war der einzige Mensch, mit dem Mrs. Woods Kontakt hatte, Lord Kestwick, und nicht Mr. Talbot."
„Warum verteidigen Sie ihn nur so eifrig?" fragte Richard ärgerlich.
„Und warum sind Sie so überzeugt, dass er der Schuldige ist?" versetzte Jessica spitz. Vorwurfsvoll sah Richard sie an. „Es liegt Ihnen offensichtlich immer noch etwas an ihm."
Jessica riss die Augen auf, bevor sie lauthals zu lachen begann. „Ich bitte um Verzeihung", sagte sie, nachdem sie sich wieder beruhigt hatte, „aber diese Vorstellung war zu komisch. An Darius Talbot liegt mir nicht das Geringste. Anfangs ja, da war ich sehr verletzt, als er die Verlobung auflöste. Aber wenn ich jetzt zurückschaue, dann glaube ich, dass vor allem mein Stolz getroffen war. Außerdem hatte mich der Skandal um meinen Vater viel mehr berührt, und sein Tod war noch viel, viel schlimmer. Heute frage ich mich vergebens, wie ich mir einbilden konnte, in Darius verliebt zu sein. Es war wirklich das Beste, dass er unsere Beziehungen beendete. Ich wäre mit ihm sehr unglücklich geworden, denn er ist ein zu schwacher Charakter. Und ich bin, wie Sie schon richtig bemerkten, zu eigensinnig und zu draufgängerisch. Wahrscheinlich hätten wir schon bald begonnen, uns zu hassen." Sie legte eine kleine Pause ein, seufzte ein bisschen und fügte hinzu: „Ich fürchte, ich bin tieferer Gefühle nicht fähig."
„Wie kommen Sie darauf?"
„Nun, mein verwundetes Herz heilte recht schnell. Ich habe nicht so getrauert wie Sie, und ich habe ihn auch nicht annähernd so geliebt, wie Sie Ihre Caroline geliebt haben."
Richard verzog spöttisch die Lippen. „Ich glaube kaum, dass ich ein gutes Beispiel für wahre Liebe bin."
„Oh, doch. Sie sind außerordentlich treu und unbeugsam in Ihrer Zuneigung zu der verstorbenen Duchess."
„Wirklich?" Es lag so viel Bitterkeit in dem Ton, in welchem dieses Wort ausgesprochen wurde, dass Jessica Cleybourne überrascht musterte. „Sie ist auf den Tag genau vor vier Jahren gestorben, und ich - ich habe heute kaum an sie gedacht."
„Sie hatten zu viel andere Dinge im Kopf", erwiderte Jessica. „Deshalb ist es kein Wunder, dass Sie in Gedanken nicht bei ihr sein konnten."
„Es waren nicht,andere Dinge', die mich daran hinderten. Nein, ich war viel zu sehr damit beschäftigt, an Sie zu denken."
Bei diesen Worten stockte Jessica der Atem, und sie suchte vergebens nach einer passenden Antwort.
„Das ist wohl kaum die Haltung eines getreuen Ehemannes", fuhr Richard mit einem sarkastischen Lächeln fort.
„Wie können Sie so etwas sagen? Sie haben vier Jahre um sie getrauert. Als ich hier ankam, waren Sie noch so verzweifelt, dass Sie sich mit dem Gedanken trugen, Ihrem Leben ein Ende zu setzen. Und versuchen Sie nur nicht, das abzustreiten. Ich habe Sie mit den Pistolen gesehen - und ich sah auch Ihr Gesicht dabei. Sie mögen vielleicht nicht vorgehabt haben, die Tat gerade in diesem Augenblick auszuführen. Aber Sie wollten es tun ... Sie hatten es geplant."
„Jaja, ich hatte es vor", räumte er ein. „Ich habe mich vier Jahre lang gegrämt. Ich trauerte um meine Frau und um meine kleine Tochter, und ich trauerte auch um mich selbst. Ich war am Rande der Verzweiflung. Und wissen Sie, warum? Es war nicht aus reiner, treuer Liebe. Es war, weil... " Er blickte zur Seite und presste die Kiefer so hart aufeinander, dass die Muskeln scharf hervortraten. „Ich war fast verrückt vor Kummer, weil ich wusste, dass ich die Schuld daran trug. Ich habe sie umgebracht."
Betroffen starrte Jessica ihn an. „Was? Nein, das glaube ich nicht. Nie und nimmer haben Sie Frau und Kind umgebracht."
„Nun, ich sollte wohl besser sagen, dass ich sie in den Tod getrieben habe. Aber es kommt ja auf dasselbe hinaus. Wir sind nämlich gar nicht zusammen aufgebrochen, sie in der Kutsche und ich daneben zu Pferde. Caroline wollte mich verlassen. Sie hatte vor, mit ihrem Liebhaber ins Ausland zu gehen, und nutzte dazu die Gelegenheit meiner kurzfristigen Abwesenheit. Ihre Koffer waren gepackt und in dem Wagen verstaut. In einem Abschiedsbrief teilte sie mir ihren Entschluss mit. Aber ich durchkreuzte ihren Plan, indem ich früher als vorgesehen zurückkam und als Erstes meine kleine Alana vermisste. Caroline und ich - nun, ich liebte sie unsagbar, als wir heirateten. Später merkte ich
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