Sturm ueber Cleybourne Castle
gewöhnt ist?"
„Nun, vielleicht nicht von solchen, die gewaltsam zu Tode gekommen sind."
„Schon möglich. Nebenbei bemerkt entfällt er auch als Verdächtiger, da er zu dieser Zeit mit Lady Vesey zusammen war. Er gehört zu den wenigen, die nicht infrage kommen."
„Stimmt genau. Und seine Niedergeschlagenheit rührt möglicherweise von der Tatsache her, dass er just in diesem Augenblick damit beschäftigt war, eines der Zehn Gebote zu brechen."
„Diese Überlegung liegt allerdings nahe", bestätigte Jessica, während sie eine Dose mit fleischfarbener Creme, wie sie häufig von Schauspielern benutzt wurde, zur Seite schob und eine andere öffnete, die Fettschminke in einem deutlich dunkleren Farbton enthielt. Verblüfft starrte sie einen Augenblick lang hinein und rief dann: „Oh, Rich... ehem... Euer Gnaden. Sehen Sie einmal her!"
Richard blickte in die Dose. „Ja, sie benutzte offensichtlich viele Schönheitsmittel -Cremes und Wangenrot und Augenbrauenstifte. Sie hat sich anscheinend gern geschminkt."
„Jaja, aber merken Sie denn nichts? Sie benutzte Schminke, die ihre Haut dunkler erscheinen ließ, als sie in Wirklichkeit war. Erinnern Sie sich nicht, wie bleich sie heute Nacht war? Ich weiß genau, dass mir ihre Blässe auffiel."
„Nun, sie war doch tot."
„Das habe ich zunächst auch angenommen. Aber nun, nachdem ich die Schminke gesehen habe ... also jetzt glaube ich das nicht mehr. In der Nacht, als Sie den Eindringling in Ihrem Arbeitszimmer überraschten, stand sie mit den anderen auf der Treppe, als wir ins Haus zurückkehrten. Ich dachte damals, dass sie sich sehr aufgeregt haben musste, da sie so blass war. Aber es war, so wie heute auch, mitten in der Nacht, und sie hatte sich vor dem Schlafengehen schon abgeschminkt - das war der Grund." Jessica hatte den Glasstöpsel aus einem silbernen Flakon entfernt und blickte hinein. „Und hier - bitte!" rief sie triumphierend. „Hier ist ein Farbstoff, mit dem man die Haare einfärben kann. Offensichtlich hatte sie von Natur aus hellere Haare. Sie wollte also ganz anders aussehen. Sie wollte wie ein anderer Mensch wirken. Und warum? Und weshalb benutzte sie die Postkutsche? Möglicherweise weil sie vor irgendetwas oder vor irgendjemandem geflohen ist." Nachdenklich runzelte Richard die Stirn. „Das ist nicht von der Hand zu weisen. Es ist ja auch merkwürdig, dass wir noch nichts Persönliches unter ihren Sachen gefunden haben - keine Briefe und keine Bücher oder ..."
„Da schlag doch gleich der Teufel drein!" rief in diesem Moment Mr. Cobb, der sich die ganze Zeit über schweigend an der anderen Seite des Bettes zu schaffen gemacht hatte. Er war in alle Ecken gekrochen, hatte hinter die Gardinen und unter den Nachttisch geblickt und nun offenkundig einen wichtigen Fund unter dem Bett gemacht, denn er kniete auf dem Boden und wühlte in einer abgeschabten Reisetasche.
„Was ist denn?" fragte Richard. „Haben Sie etwas Aufschlussreiches entdeckt?"
„Und ob", erwiderte Cobb und holte ein Etui aus der Tasche. Mit geschickten Fingern hob er den Deckel, sodass der Inhalt sichtbar wurde. Selbst in dem trüben Licht der Lampe blitzte der kostbare, mit Brillanten und Saphiren besetzte Schmuck. „Ich denke, ich habe meinen Juwelendieb gefunden."
16. KAPITEL
„Was? Wie? Sind Sie sicher?" fragte Richard und kam, gefolgt von Jessica, rasch auf die andere Seite des Bettes.
„Jaja, ganz sicher", erwiderte Mr. Cobb. „Mr. Gilpin zeigte mir ein Porträt seiner Frau, auf dem sie diesen Diamantschmuck trägt." Er nahm das Kollier heraus und legte es auf die Bettdecke. „Und diese Ohrringe auch."
Sorgfältig breitete er Schmuck und Etui auf dem Bett aus und holte dann weitere Gegenstände aus der Tasche: eine lederne Geldbörse mit einer großen Menge von Goldmünzen darin, einen kleinen Beutel, aus dem er eine Hand voll ungefasster Gemmen auf die Decke schüttete, und noch ein Stoffsäckchen, das ebenfalls Schmuckstücke der verschiedensten Art enthielt.
„Ich müsste sie erst noch mit meiner Liste vergleichen, aber ich bin ziemlich sicher, dass die Beschreibungen der gestohlenen Wertgegenstände auf einige dieser Dinge passen", fuhr Mr. Cobb fort. „Außerdem wurde eine beträchtliche Menge Geld vermisst. Und die anderen Stücke - nun, ich könnte darauf wetten, dass sie bei jemand anderem gestohlen wurden. Sehen Sie sich doch die Gemmen an. Man hat sie aus der Fassung gelöst, damit sie leichter zu veräußern sind." Ungläubig
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