Sturm ueber Cleybourne Castle
Betonung, „gab mir zu verstehen, dass Sie in einer gewissen verwandtschaftlichen Beziehung zu meinem Mündel stehen."
„Stimmt. Cousine. Reizendes Mädchen", erwiderte Vesey in saloppem Ton. „Warum speist sie nicht mit uns? Würde die Zahl der Tischgäste ausgleichen."
„Sie hat schon gegessen", murmelte Jessica, ohne hinzuzufügen, dass sie ebenfalls bereits ihr Abendessen verzehrt und keinerlei Appetit mehr auf eine Mahlzeit mit vielen Gängen hatte. Am liebsten hätte sie sich mit Kopfschmerzen entschuldigt. Aber sie wollte unbedingt wissen, was zwischen Vesey und dem Duke besprochen wurde, weshalb sie sich in das Unvermeidliche fügte.
Vesey musterte sie so erstaunt, als überrasche es ihn, dass sie reden konnte. „Tatsächlich? Vielleicht kann ich sie ja nach dem Essen begrüßen."
„Dann wird sie bereits schlafen."
„Ich wusste gar nicht, dass Sie so viel Familiensinn haben", stellte der Duke fest, während die Lakaien den inzwischen kalt gewordenen Fischgang abräumten.
„Nun, ich bin schließlich der einzige Verwandte, der ihr noch geblieben ist."
„Wie bedauerlich für sie", murmelte der Duke.
„Ja", bestätigte Vesey, ohne die Ironie dieser Bemerkung zu erkennen, „von ihres Vaters Seite gibt es niemanden mehr. Natürlich hätten Lady Vesey und ich das Mädchen selbst gern in unsere Obhut genommen, da wir keine Kinder haben, wie Sie wissen."
„Natürlich nicht, weil ich alt genug wäre, um Gabrielas Mutter zu sein", fügte Leona rasch hinzu. „Aber ich hätte die Kleine gern durch die Klippen der Gesellschaftssaison geführt, wenn die Zeit dafür gekommen ist."
„Oh, das wären aber zu viele Unannehmlichkeiten für eine so charmante Frau wie Sie, Lady Vesey", stellte der Duke trocken fest. „Ich werde das zu gegebener Zeit selbst übernehmen."
Leona schenkte ihm ihr verführerischstes Lächeln. „Ganz und gar nicht, lieber Richard. Ich stelle mich gern zu Ihrer Verfügung." Über die bewusste Zweideutigkeit dieser Erklärung blieb kein Zweifel offen. Doch Cleybourne ignorierte die unverblümte Einladung und widmete sich den Speisen auf seinem Teller.
Auf diese Weise ging es den ganzen endlos scheinenden Abend weiter. Vesey brachte bei jeder Gelegenheit Gabriela zur Sprache, während seine Frau unverhohlen mit dem Hausherrn flirtete. Beide vermieden es dabei konsequent, ein Wort an Jessica zu richten. Sie existierte offensichtlich für das Ehepaar nicht und konnte auf diese Weise nichts tun, um dessen Aufmerksamkeit ein wenig von Cleybourne abzulenken.
Bei jeder sich nur bietenden Möglichkeit berührte Leona Richards Arm und legte zur Betonung ihrer Rede immer wieder die Hand auf die Brust, um auf ihr einladendes Dekollete hinzuweisen. Einmal beobachtete Jessica sogar, wie sie heimlich den Ausschnitt noch weiter herunterzog. Doch der Duke nahm keinerlei Notiz von ihren kleinen Listen, sodass die schwellenden Lippen der Dame gegen Ende des Mahles immer schmaler vor Ärger wurden.
„Es ist nett von Ihnen, dass Sie uns Quartier gegeben haben" , bemerkte Lord Vesey irgendwann.
„Habe ich das? Wie nett von Ihnen, das festzustellen, denn das ist mir bis jetzt neu." Leona kicherte. „Sie sind immer zu einem kleinen Scherz aufgelegt, Cleybourne." „Und aus welchem Grunde soll ich das getan haben?" fuhr der Hausherr fort.
„Nun, weil wir uns verirrt haben."
„Es wird mir ein Vergnügen sein, Ihnen den richtigen Weg zu beschreiben."
„Aber wir können doch jetzt nicht mehr weiterfahren. Es ist bereits stockdunkel."
„In Hedby gibt es einen Gasthof."
„Dort ist kein Zimmer mehr frei."
„Ach so."
„Ja. Fürchte, wie müssen hier bleiben."
„Es scheint so." Richard warf einen Blick zu Jessica, deren Miene Widerwillen ausdrückte. Resigniert zuckte er mit den Schultern.
Als endlich auch das Dessert abgeräumt worden war, übergab der Duke seine ungebetenen Gäste dem Butler und redete ihnen freundlich, aber bestimmt ein, dass sie müde seien und zu Bett zu gehen wünschten. Zwar erklärte Leo-na, sie werde so früh am Abend bestimmt nicht einschlafen, und Vesey brachte wieder Gabriela ins Gespräch, doch Cleybourne überhörte geflissentlich alle diese Winke und befahl Baxter, die Herrschaften zu ihrem Zimmer zu bringen.
Sobald die Veseys den Raum verlassen hatten, wandte sich Jessica aufgebracht an den Duke. „Sie können die beiden unmöglich hier im Hause behalten!"
Richard zog die Augenbrauen hoch. „So? Kann ich das nicht?"
„Jaja, ich weiß, Sie sind der
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