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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
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den Anordnungen des Archonten hatten Kosta und de Ferra dafür gesorgt, dass niemand ihnen Schaden zugefügt hatte. »Um dich tut es mir wirklich leid«, flüsterte sie, neben dem Leutnant kniend und mit einem behandschuhten Finger über seine Wangen streichend. »Du bist ja ein richtig hübscher Bursche.«
    Sie seufzte, zog ein Messer aus einem in ihrer Jacke befindlichen Futteral und durchtrennte dem Mann mit einem einzigen raschen Schnitt die Kehle. Hastig wich sie zurück, um nicht von dem hervorschießenden Blutstrahl getroffen zu werden, wischte die Klinge an der Hose des Mannes ab und widmete sich der Frau, die mitten in der Eingangshalle lag.
    Die beiden Wachposten auf der Turmspitze konnten am Leben bleiben; keiner würde glauben, dass jemand die Treppe hochgestiegen war, um sie zu töten. Aber sie konnte den Mann am Anleger erledigen, die beiden Aufseher im Innern des Turms und den Wächter, dessen Platz im Kellerverlies war.
    Das würde reichen, dachte sie – sie wollte ja nicht, dass Kosta und de Ferra scheiterten. Aber falls sie ihre Mission tatsächlich erfolgreich abschlossen und im Triumph zurückkehrten, was hielte Stragos dann davon ab, sie mit dem nächsten Auftrag zu betrauen? Sein Gift machte sie für alle Zeiten zu seinen willigen Werkzeugen. Und wenn es ihnen gelänge, diese aberwitzige Mission zu einem glücklichen Ende zu bringen, nun ja … solche Männer waren überaus gefährlich. Wenn man sie nicht dazu bewegen konnte, den Leuten zu dienen, deren Interessen sie selbst vertrat, dann war es das Beste, sie umzubringen.
    Resolut schickte sie sich an, ihre Arbeit zu beenden. Der Gedanke, dass die Opfer ausnahmsweise einmal keine Schmerzen spürten, war ihr ein großer Trost.

11
     
     
    »Käpt’n Ravelle!«
    Der Soldat gehörte zu denen, die vom Archonten handverlesen waren, um bei dem Betrug mitzuwirken. Er heuchelte Überraschung, als Locke auf dem Deck der Roter Kurier erschien, gefolgt von Jean, Caldris und den beiden Ex-Sträflingen. Das Langboot mit den übrigen Männern stieß gerade an der Steuerbordseite des Schiffs an. »Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Sie heute Nacht zurückkommen, Käpt’n … was ist passiert?«
    »Ich habe eine Entscheidung getroffen«, erklärte Locke und marschierte auf den Soldaten zu. »Dieses Schiff ist viel zu schön, um vom Archonten in Besitz genommen zu werden. Deshalb nehme ich es ihm ab und bringe es auf See.«
    »Moment mal … Moment mal, Käpt’n, das ist nicht komisch.«
    »Kommt drauf an, wo man steht«, erwiderte Locke. Er trat dicht an den Soldaten heran und tat so, als würde er ihm einen Boxhieb in die Magengrube verpassen. »Kommt drauf an, ob man überhaupt noch steht.« Wie abgesprochen, führte der Mann eine sehr überzeugende Pantomime auf, als habe er einen fürchterlichen Schlag erhalten, und kippte rücklings aufs Deck, wo er sich in vorgetäuschten Schmerzen wand. Locke grinste. Sollte seine neue Crew sich ruhig ein paar Gedanken darüber machen, wie schlagkräftig ihr Kapitän war.
    Die fragliche Besatzung hatte gerade begonnen, über die Enternetze an Bord zu klettern. Locke erleichterte den Soldaten um sein Schwert, den runden Schild und die Messer, dann eilte er zu Jean und Caldris ans steuerbordseitige Schanzkleid, um den Männern über die Reling zu helfen.
    »Was machen wir mit dem Langboot, Käpt’n?«, fragte Jabril, als er sich über das Schanzkleid schwang.
    »Um es auf der Kurier mitzunehmen, ist es zu groß«, meinte Locke. Mit dem Daumen deutete er über die Schulter auf den »ruhiggestellten« Soldaten. »Wir setzen ihn darin aus. Jerome!«
    »Aye, Käpt’n«, erwiderte Jean.
    »Lassen Sie alle Deckshände zur Musterung mittschiffs antreten. Meister Caldris! Sie kennen sich mit dem Schiff aus. Machen Sie Licht.«
    Caldris holte aus einem Schapp neben dem Ruder alchemische Lampen, und mit Lockes Hilfe hängte er sie überall an Deck auf, bis die mattgelbe Beleuchtung ausreichte, um darin arbeiten zu können. Jean zückte seine Bootsmannspfeife und pfiff drei kurze scharfe Töne. Im Nu hatte er die Matrosen mittschiffs vor den Großmast gescheucht. Locke stellte sich vor der versammelten Mannschaft in Positur, zog seinen Offiziersrock aus und warf ihn ins Wasser. Die Männer applaudierten.
    »Jetzt müssen wir uns beeilen, dürfen aber keine Fehler machen«, verkündete er. »Wer sich zum Arbeiten nicht kräftig genug fühlt, soll die Hand heben. Nur keine Scheu, ihr braucht euch nicht zu schämen,

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