Sturm ueber roten Wassern
sollte einer dieser Aufseher zu Tode kommen!«
»Eine seltsame Einstellung für jemanden, der behauptet, gern Risiken einzugehen.« »Ich würde diese Leute jederzeit in eine Schlacht schicken, Kosta, und es würde mir nichts ausmachen, wenn sie im Kampf fielen. Aber niemand, der in Rechtschaffenheit meine Farben trägt, darf durch dieses Komplott sterben; meine Ehre verlangt es, dass ich dafür garantiere. Angeblich sind Sie beide Profis. Betrachten Sie das Manöver als einen Test Ihrer Professionalität.«
»Wir sind keine kaltblütigen Mörder«, versetzte Locke. »Wenn wir überhaupt töten, dann aus gutem Grund.«
»Umso besser«, entgegnete Stragos. »Das wäre dann vorläufig alles, was ich Ihnen zu sagen habe. Den heutigen Tag können Sie frei nach Belieben gestalten. Morgen, kurz vor Mitternacht, landen Sie am Amwind-Felsen, und das Abenteuer beginnt.« »Wir brauchen unser Gegengift«, forderte Locke. Jean und Caldris nickten. »Selbstverständlich. Sie drei erhalten Ihre letzte Dosis kurz vor dem Aufbruch. Danach … nun, ich erwarte, dass Sie in circa zwei Monaten zum ersten Mal nach Tal Verrar zurückkehren werden. Mit einem Bericht über Ihre Erfolge.«
9
Im Eingangsbereich ließen Locke und Jean ihre neue Besatzung zu einer Art Musterung antreten, die reichlich derb ausfiel. Jean musste mehrere Männer mit Gewalt davon abhalten, ihr Mütchen an den schlafenden Wachposten zu kühlen. »Ich sagte, Finger weg von diesen Leuten!«, schnauzte Locke zum dritten Mal. »Ihnen darf kein Haar gekrümmt werden! Wenn wir sie töten, bringen wir jeden da draußen gegen uns auf. Lasst sie leben, und die Verrari werden noch Monate danach über diesen Coup lachen.
Und jetzt«, fuhr er fort, »geht ganz ruhig zum Anleger. Nehmt euch Zeit, vertretet euch die Beine, betrachtet ausgiebig das Meer und den Himmel. Ehe wir von hier wegkönnen, muss ich ein Boot organisieren. Und dass ihr mir ja die Klappe haltet! Wenn jemand auf uns aufmerksam wird, ist es um uns alle geschehen!« Die meisten der Männer beherzigten seine Ermahnungen und teilten sich in kleine, tuschelnde Grüppchen auf, als sie den Turm verließen. Locke bemerkte, dass ein paar Gefangene vor der Tür stehen blieben, die Hände gegen die Steinmauern gelegt, als fürchteten sie sich, unter den freien Himmel hinauszutreten. Nachdem sie Monate, wenn nicht gar Jahre im Kerker geschmachtet hatten, konnte er ihnen diese Zögerlichkeit nicht verdenken.
»Das ist großartig!«, schwärmte Jabril, der zu Locke aufschloss, während sie sich dem Anleger näherten, auf dem Caldris immer noch mit der Laterne auf und ab schritt. »Richtig toll. Und mit das Beste ist, dass man nicht mehr diesen Gestank von so vielen dreckigen Kerlen ertragen muss.«
»Nicht mehr lange, und ihr seid schon wieder auf engstem Raum zusammengesperrt«, hielt Locke ihm entgegen.
»Aye. Aber das ist nicht dasselbe.«
»Jabril!« Locke hob seine Stimme. »Später, wenn wir einander besser einschätzen können, wird darüber abgestimmt, wer welchen Offiziersposten bekommt. Doch vorläufig ernenne ich dich zum amtierenden Maat!«
»Was für ein Maat soll ich denn sein? Schiffers Maat? Bootsmannsmaat?
Zimmermannsmaat?«
»Spielt keine Rolle. Such dir was aus!« Locke grinste und klopfte ihm auf den Rücken.
»Ich gehöre nicht mehr der Marine an, schon vergessen? Du bist Jerome unterstellt.
Sorge für Ordnung unter den Männern. Nimm dem Soldaten, der am Anleger gefesselt ist, die Waffen ab, nur für den Fall, dass wir heute Nacht noch blankziehen müssen. Ich rechne nicht mit einem Kampf, aber wir sollten auf alles vorbereitet sein.«
»Guten Abend, Käpt’n Ravelle«, grüßte Caldris. »Wie ich sehe, haben Sie sie rausgeholt, wie geplant.«
»Aye«, erwiderte Locke. »Jabril, das ist Caldris, mein Segelmeister. Caldris, Jabril nimmt den Posten des amtierenden Maats unter Jerome ein. Und jetzt hört alle her, Jungs!« Locke sprach laut und deutlich, jedoch ohne zu brüllen, damit seine Stimme nicht über das Wasser hallte und von ungesehenen Beobachtern gehört werden konnte. »Das Boot, mit dem ich herkam, fasst sechs Leute. Aber ganz in der Nähe liegt eines, in dem vierzig Mann unterkommen. Ich brauche zwei Männer, die mich dorthin pullen. Es dauert keine halbe Stunde, und dann sind wir unterwegs.«
Zwei junge Gefangene traten vor; sie sahen aus, als gierten sie nach jeder Art von Beschäftigung, um sich nach einer so langen Zeit des erzwungenen Nichtstuns mit
Weitere Kostenlose Bücher