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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
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körperlicher Arbeit abreagieren zu können.
    »Es kann losgehen«, sagte Locke, als er nach Caldris und den beiden Seemännern in das kleine Boot stieg. »Jerome, Jabril, achtet darauf, dass Ruhe und Ordnung herrschen. Versucht, die Männer nach Arbeitstüchtigkeit einzustufen. Ich muss wissen, wer sofort zupacken kann und wer so schwach ist, dass er erst ein paar Tage Erholung braucht, bis seine Kräfte zurückkehren.«
    Eine halbe Meile vom Amwind-Felsen entfernt ankerte ein Langboot, das selbst im Mondschein nicht auszumachen war; sie sahen es erst, als sie sich ihm bis auf fünfzig Yards genähert hatten und das Licht von Caldris’ Laterne darauf fiel. Locke und Caldris hissten in aller Eile das kleine Segel der Barkasse; danach segelten sie langsam, aber sicher zum Felsen zurück, während die beiden ehemaligen Häftlinge neben ihnen das Ruderboot pullten. Nervös spähte Locke in alle Richtungen und entdeckte weit hinten am Horizont ein paar hell glänzende Segel, doch in ihrer unmittelbaren Nähe rührte sich nichts.
    »Hört mir gut zu«, begann er, nachdem die Barkasse am Anleger angelascht war und seine neue Crew sich erwartungsvoll um ihn scharte. Er war angenehm überrascht, wie schnell sich die Männer der veränderten Situation angepasst hatten. Eigentlich kein Wunder, denn sie waren Matrosen von beschlagnahmten Schiffen und keine abgefeimten Kriminellen, die man wegen Verbrechen, die sie selbst begangen hatten, in den Kerker steckte. Das machte aus diesen harten Burschen zwar noch keine Heiligen, doch Locke freute sich, dass die Dinge ausnahmsweise einmal eine für ihn günstige Wendung nahmen.
    »Die Männer, die es sich zutrauen, an die Riemen. Es macht nichts, wenn welche unter euch sind, die jetzt noch nicht die Kraft zum Arbeiten haben. Ich weiß, dass einige von euch viel zu lange eingesperrt waren. Wer nicht pullen kann, setzt sich einfach mitten ins Boot und macht gar nichts. Während der Reise kommt ihr schon wieder zu Kräften. Wir haben jede Menge Proviant gebunkert.«
    Das brachte ihm ein paar Hochrufe ein. Wenn sie sich erst draußen auf See befanden, würden ihre Rationen sehr schnell die Qualität des Gefängnisfraßes erreichen, den die Männer hatten zu sich nehmen müssen, doch zumindest in den ersten Tagen gäbe es ausreichend frisches Fleisch und Gemüse, mit dem sie sich stärken konnten.
    In geordneter Formation kletterten die ehemaligen Gefangenen ins Boot hinunter; im Nu waren die Schandecks bemannt mit Matrosen, die behaupteten, zum Pullen kräftig genug zu sein, und die Riemen wurden in die Dollen geschoben. Jabril nahm den Platz im Bug ein und gab Locke und Caldris ein Handzeichen, als das Boot zum Ablegen bereit war.
    »Gut«, sagte Locke. »Die Kurier ankert südlich der Schwert-Marina an der seewärtigen Seite und kann in See stechen, sobald die Mannschaft an Bord ist. Ein einziger Posten steht dort nachts Wache, und um den kümmere ich mich persönlich. Nachdem ich mit ihm fertig bin, kommt ihr uns hinterher. Die Netze sind an den Seiten heruntergelassen, und die Waffen sind verstaut.«
    Locke setzte sich in den Bug des kleinen Boots und nahm, wie er hoffte, eine angemessen würdevolle Haltung an. Jean und Caldris griffen nach den Riemen, die beiden letzten Gefangenen kauerten sich ins Heck, und einer von ihnen hielt Caldris’ Laterne.
    »Verabschiedet euch vom Amwind-Felsen, Jungs«, sagte Locke. »Und dreht dem Archonten von Tal Verrar eine lange Nase. Wir stechen in See.«

10
     
     
    Eine schemenhafte Gestalt, unsichtbar in den tiefen Schatten, sah den beiden ablegenden Booten hinterher.
    Merrain schlich sich aus ihrem Versteck neben dem Turm und winkte kurz mit der Hand, als die niedrig im Wasser liegenden grauen Umrisse in Richtung Süden verschwanden. Sie zog das schwarze Seidentuch herunter, mit dem sie die untere Gesichtshälfte verdeckt hatte, und schlug die Kapuze ihrer schwarzen Jacke zurück; fast zwei Stunden lang hatte sie im Schatten des Turms gelauert und geduldig darauf gewartet, dass Kosta und de Ferra ihren Coup zu Ende brachten. Ihr eigenes Boot lag verborgen unter einem Felsvorsprung an der Ostseite der Insel, kaum mehr als eine Nussschale aus behandeltem Leder über einem Holzrahmen. Selbst im Mondlicht war es auf dem Wasser nicht zu sehen.
    Leise schlüpfte sie in den Eingangsbereich des Gefängnisses und fand die beiden Aufseher ziemlich genau dort, wo sie mit ihnen gerechnet hatte, in einem durch Drogen herbeigeführten Tiefschlaf. Gemäß

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