Sturm ueber roten Wassern
kaum die Zeit, sie zu deuten, als sie vorbeihuschten …
Äxte und Speere, die ihm galten, gruben sich in den Körper des Jeremitischen Anführers. Ein verzweifelter Hieb mit seinem Säbel, und die Wucht des Aufpralls, als die Waffe sich in die ungeschützte Kniekehle eines Erlösers fraß. Jean, der ihn auf die Füße hievte. Jabril und Streva, die weitere Männer aufs Deck zogen. Leutnant Delmastro, Seite an Seite mit Jean kämpfend, die mit der glasbesetzten Glocke eines ihrer Säbel das Gesicht eines Erlösers in einen rohen, roten Brei verwandelte. Schatten, Bewegung, gellende Schreie.
Es war ihm nicht möglich, neben Jean zu bleiben; der Ansturm der Erlöser war zu heftig, die Zahl der Hiebe, die sie austeilten, zu groß. Wieder wurde Locke von einem umkippenden Körper zu Boden geworfen; er rollte sich nach links ab, blindwütig mit seiner Waffe draufloshackend, während er sich über die Planken wälzte. Das Deck und der Himmel kreisten um ihn, bis er plötzlich ins Nichts kullerte.
Man hatte offenbar die Gräting von der Luke, die in die Hauptlast führte, entfernt.
Geistesgegenwärtig bremste er sich ab und rutschte ein Stück nach rechts, ehe er durch die Luke fiel. Ein Blick in die Last unter dem Hauptdeck hatte ihm gezeigt, dass dort noch drei Jeremiten waren. Stolpernd kam er auf die Beine und wurde sofort von einem der Fanatiker angegriffen; Schlag für Schlag mit seinem Säbel parierend, wich er nach links aus, bestrebt, sich vom Lukenrand zu entfernen. Ohne Erfolg; ein zweiter Erlöser tauchte auf, blutbeschmiert und mit gezücktem Speer.
Locke wusste, dass er den beiden hoffnungslos unterlegen war, solange er am Rand der offenen Luke entlang tänzeln musste; er konnte seine Gegner weder bekämpfen noch ihnen ausweichen. Fieberhaft dachte er nach. Als der Angriff gestartet wurde, war die Besatzung der Fleute gerade dabei gewesen, ein schweres Fass aus der Hauptlast aufs Deck zu hieven. Dieses Fass mit einem Umfang von vier bis sechs Fuß hing nun in einem Netz über der Luke.
Wie rasend hieb Locke auf seine beiden Widersacher ein, mit dem einzigen Ziel, sie zurückzutreiben. Dann wirbelte er mit dem Mut der Verzweiflung auf dem Absatz herum und sprang. Der Aufprall an dem Fass war so wuchtig, dass er glaubte, ihm würde das Gehirn durch die Schädeldecke getrieben; er krallte sich in das Netz und strampelte mit den Beinen, als würde er Wasser treten. Verbissen kletterte er auf den Deckel des Fasses, das wie ein Pendel wild hin und her schwang.
Von seinem unsicheren Standpunkt aus konnte er flüchtig die Szene überblicken, die sich an Deck abspielte. Über die Steuerbordseite kamen immer mehr Piraten, um sich in das Kampfgetümmel zu stürzen; Delmastro und Jean drängten gerade den größten Teil der Erlöser die Treppe zum Achterdeck hinauf. Auf der Backbordseite wogte ein Gewühl aus kämpfenden Menschen hin und her – grüne Turbane und unbedeckte Köpfe tauchten über Waffen jeder erdenklichen Art auf.
Plötzlich stach der Jeremit mit dem Speer auf ihn ein, und die Spitze aus geschwärztem Stahl bohrte sich nur wenige Zoll von seinem Bein entfernt ins Holz. Locke wehrte sich mit dem Säbel und begriff, dass sein frei in der Luft hängender Zufluchtsort doch nicht so sicher war wie erhofft. Von unten hörte er Gebrüll – die Erlöser in der Last hatten ihn bemerkt und wollten sich seiner annehmen.
Er musste ihnen zuvorkommen und sich irgendetwas Verrücktes einfallen lassen.
Behände sprang er in die Höhe, hielt sich an einem der Taue fest, mit denen das Fass an einer Gientalje hing, und wich dem nächsten Speerstoß aus. Er brauchte gar nicht erst zu versuchen, sämtliche Taue durchzuschneiden, die von der Talje nach unten führten. Das hätte Minuten gedauert. Krampfhaft versuchte er sich zu erinnern, was Caldris ihnen über die Kombination von Tauwerk und Blöcken, die wie ein Flaschenzug funktionierten, eingebläut hatte. Sein Blick fiel auf das straffe Seil, das von der Gien zu einem Klappblock in einer Ecke der Luke verlief. Jawohl – dieses Seil führte quer über das Deck und verschwand im Gewirr der Kämpfenden. Es musste mit dem Gangspill verbunden sein, und wenn es gekappt wurde…
Er biss die Zähne zusammen und hieb seinen Säbel mit aller Macht gegen das gespannte Tau; er konnte spüren, wie sich die Klinge durch den Hanf fraß. Eine geschleuderte Axt sirrte an seiner Schulter vorbei und verfehlte ihn nur um die Breite seines kleinen Fingers. Abermals bearbeitete er
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