Sturm ueber roten Wassern
das Seil mit der Klinge, hackte darauf ein, seine ganze Kraft in die Hiebe legend. Beim vierten Schlag gaben die Fasern mit einem Peitschenknall nach, und unter dem Gewicht des Fasses riss das Tau. Mit fest zusammengekniffenen Augen sauste Locke auf dem Fass in den Frachtraum hinunter.
Jemand schrie und ersparte ihm damit die Mühe, es selbst zu tun.
Mit einem lauten Krachen schlug das Fass unten auf. Durch den Schwung verlor Locke das Gleichgewicht und prallte hart gegen den Deckel. Sein Kinn knallte auf das Holz, er wurde seitwärts heruntergeschleudert und landete wie ein nasser Sack auf dem Boden. Eine warme, stinkende Brühe schwappte über ihn hinweg – Bier. Das Fass war geplatzt, und der Inhalt ergoss sich nun über ihn.
Ächzend rappelte Locke sich hoch. Ein Erlöser war nicht schnell genug zur Seite gesprungen und streckte unter dem Fass alle viere von sich – er war eindeutig tot. Die beiden anderen waren von der Wucht des heruntersausenden Fasses zur Seite geschleudert worden und tasteten benommen nach ihren Waffen.
Taumelnd fiel Locke über sie her und schlitzte ihnen die Kehlen auf, ehe sie merkten, dass er wieder auf den Beinen stand. Es war kein Kampf, nur die Arbeit eines Diebes, und er verrichtete sie mechanisch. Dann sah er sich blinzelnd um und suchte nach etwas, woran er die Klinge säubern konnte; diese alte und selbstverständliche Gewohnheit eines Diebes wäre ihm um ein Haar zum Verhängnis geworden.
Eine schwere, dunkle Gestalt landete platschend neben ihm in der Bierpfütze. Einer der Jeremiten, die ihm schon oben zugesetzt hatten, der Kerl mit dem Speer, war sechs, sieben Fuß tief in die Last heruntergesprungen. Doch das sprudelnde Bier war tückisch; dem Erlöser rutschten die Füße weg, als er unten aufkam, und er kippte auf den Rücken. Kaltblütig und resigniert trieb Locke ihm seinen Säbel in die Brust, dann zog er dem Sterbenden den Speer aus den Händen. »Der Alkohol hat ihn umgebracht«, flüsterte er.
Oben tobte der Kampf weiter. Im Augenblick war er hier unten in der Last allein mit seinem billigen kleinen Sieg.
Vier Tote, und jeden einzelnen hatte er ausgetrickst, mit viel Glück und dem Überraschungsmoment auf seiner Seite. Er hatte schlichtweg Glück gehabt und etwas bewirkt, was er in einem offenen Kampf niemals bewerkstelligt hätte. Das Wissen, dass diese Männer weder Gnade gewährt noch für sich selbst akzeptiert hätten, hätte es ihm ein wenig erleichtern sollen, doch das wilde Hochgefühl, das ihn noch wenige Minuten zuvor beseelt hatte, war verflogen. Schließlich war Orrin Ravelle nur eine Maske; und nun war er wieder er selbst, Locke Lamora.
Er übergab sich hinter einem Haufen Segeltuch und Netzen und stützte sich mit dem Speer ab, bis das Würgen aufhörte. »Grundgütige Götter!«
Locke wischte sich den Mund ab, als Jabril und zwei der Piraten sich durch die Luke nach unten gleiten ließen, wobei sie sich am Rand festhielten, anstatt direkt von oben zu springen. Offenbar hatten sie nicht bemerkt, dass er sich die Seele aus dem Leib kotzte.
»Vier von diesen Kerlen!«, fuhr Jabril fort. Über einer oberflächlichen Wunde an seiner Brust war seine Tunika teilweise weggerissen worden. »Leck mich doch am Arsch, Ravelle! Und ich hatte gedacht, ich müsste mich vor Valora fürchten!« Locke atmete tief durch, um sich halbwegs wieder zu beruhigen. »Was ist mit Jerome? Hat er was abgekriegt?«
»Vor einer Minute fehlte ihm noch nichts. Da kämpfte er zusammen mit Leutnant Delmastro auf dem Achterdeck.«
Locke nickte, dann deutete er mit dem Speer nach achtern. »Achterkajüte«, sagte er. »Kommt mit. Lasst es uns zu Ende bringen.«
Rennend lotste er sie die Länge des Hauptdecks hinunter, im Vorbeilaufen unbewaffnete oder sich vor ihnen duckende Matrosen zur Seite stoßend. Die gepanzerte Tür zur Achterkajüte war verschlossen, und dahinter hörte man die Geräusche fieberhafter Aktivität. Er hämmerte gegen die Tür.
»Wir wissen, dass Sie da drin sind!«, brüllte er und wandte sich mit einem müden Grinsen an Jabril. »Kommt dir das nicht irgendwie bekannt vor?« »Diese Tür könnt ihr nicht aufbrechen!«, erklang ein gedämpfter Ruf von drinnen. »Wir stemmen sie mit der Schulter auf«, schlug Jabril vor.
»Lass es mich zuerst mit einer List versuchen«, entgegnete Locke. Dann hob er die Stimme: »Erstens – die Tür ist zwar gepanzert, aber die Heckfenster bestehen aus Glas.
Zweitens -ich zähle jetzt bis zehn, und wenn Sie bis dahin
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