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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
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nicht die Tür geöffnet haben, wird jedes Besatzungsmitglied, das noch nicht tot ist, auf dem Achterdeck hingerichtet. Sie können dann ja zuhören, wie Ihre Leute schreien.«
    Eine Pause trat ein; Locke wollte schon anfangen zu zählen. Plötzlich ertönte das Knacken und Rasseln eines schweren mechanischen Schlosses, die Tür öffnete sich einen Spalt breit, und ein kleiner, ältlicher Mann in einer langen schwarzen Jacke erschien.
    »Bitte nicht«, sagte er. »Ich ergebe mich. Ich hätte schon früher kapituliert, aber die Erlöser haben es verhindert. Ich habe mich hier eingeschlossen, als sie Jagd auf mich machten. Bringen Sie mich um, wenn Sie wollen, aber verschonen Sie meine Mannschaft.«
    »Seien Sie nicht dumm«, erwiderte Locke. »Wir töten niemanden, der sich ergibt. Obwohl es mich freut, dass Sie kein gemeines Arschloch sind. Stehe ich vor dem Skipper dieses Schiffs?« »Ja. Antoro Nera, zu Ihren Diensten.«
    Locke packte ihn am Revers und zerrte ihn zum Niedergang. »Lassen Sie uns an Deck gehen, Meister Nera. Ich glaube, mit Ihren Erlösern sind wir fertig geworden. Was zur Hölle hatten Sie überhaupt hier an Bord zu suchen? Waren es Passagiere?« »Sie sollten für Sicherheit sorgen«, murmelte Nera. Verblüfft blieb Locke stehen. »Verflucht noch mal, sind Sie denn so beschränkt, dass Sie nicht wissen, was mit diesen Typen los ist? Wenn nur die geringste Aussicht auf einen Kampf besteht, dann geraten sie regelrecht in einen Blutrausch.«
    »Ich wollte sie nicht an Bord nehmen! Die Schiffseigner bestanden darauf. Jeremitische Erlöser arbeiten nicht für Lohn, sondern nur für Verpflegung und die Passage. Die Eigner glaubten wohl, allein ihre Anwesenheit würde genügen, um jeden abzuschrecken, der darauf aus ist, Ärger zu machen.«
    »Eine schöne Theorie. Die funktioniert allerdings nur, wenn man bekanntgibt, dass Jeremitische Erlöser an Bord sind. Wir hatten keine Ahnung von eurer Fracht, bis sie uns im Pulk angriffen.«
    Locke stieg die Niedergangstreppe hoch, Nera hinter sich her zerrend und gefolgt von Jabril und den anderen. Das Achterdeck war in das gleißende Licht der Morgensonne getaucht. Einer der Männer schickte sich an, die Flagge einzuholen. Dabei stand er bis zu den Knien in Leichen.
    Mindestens ein Dutzend waren ums Leben gekommen. Hauptsächlich Erlöser, deren grüne Turbane in der Brise flatterten und auf deren Gesichtern ein seltsam unzufriedener Ausdruck lag. Doch hier und da hatte es auch glücklose Besatzungsmitglieder erwischt, und oben an der Treppe entdeckte Locke ein bekanntes Gesicht – Aspel, mit blutiger, zerschmetterter Brust.
    Angstvoll spähte Locke in die Runde und seufzte befreit auf, als er Jean entdeckte; offenkundig unversehrt kauerte er neben der Steuerbordreling. Vor ihm lag Leutnant Delmastro, mit aufgelöstem Zopf; Blut strömte über ihren rechten Arm. Locke sah zu, wie Jean vom unteren Saum seiner Tunika einen Streifen Stoff abriss und anfing, ihre Wunden zu verbinden.
    Locke verspürte einen plötzlichen Stich, in dem sich Erleichterung mit einer gewissen Wehmut mischte; sonst war er es immer gewesen, der nach einem Kampf als blutendes Bündel irgendwo lag und von Jean versorgt wurde. Mitten in der Schlacht hatte er sich von Jean getrennt, eine Entscheidung, die er in der Hitze des Gefechts im Bruchteil einer Sekunde getroffen hatte. Er vergegenwärtigte sich, dass es ihn ein wenig beunruhigte, weil Jean ihm dieses Mal nicht gefolgt war wie ein zweiter Schatten, um ihn zu beschütze n.
    Sei kein Idiot, schalt er sich. Jean hat seine eigenen beschissenen Probleme.
    »Jerome«, rief er.
    Jean drehte sich zu ihm um, und seine Lippen öffneten sich, als wollte er zu einem »L« ansetzen, ehe er sich besann. »Orrin! Du siehst schrecklich aus! Götter, bist du verletzt?«
    Er sah schrecklich aus? Locke schaute an sich runter und merkte, dass fast jeder Zoll seiner Kleidung mit Blut durchtränkt war. Mit einer Hand wischte er sich über das Gesicht. Was er für Schweiß oder Bier gehalten hatte, blieb rot an seiner Hand kleben.
    »Ich selbst habe kein Blut verloren«, erklärte er. »Jedenfalls glaube ich das.«
    »Ich wollte dir hinterher und dich suchen«, sagte Jean schnell. »Aber Ezri … Leutnant Delmastro …«
    »Es geht mir gut«, stöhnte sie. »Der Schweinehund hat versucht, mich am Besanmast zu zerquetschen. Hat mir aber nur die Luft rausgepresst.«
    Auf den Planken neben ihr entdeckte Locke eine der riesigen, mit Metallnägeln verstärkten

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