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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
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verrate ich dir meinen richtigen Namen«, sagte sie. »Ezriane Dastiri de la Mastron. Dame Ezriane aus dem Hause Mastron. Nicora.«
    »Wirklich? Besitzt du ein Gut oder so was?«
    »Das bezweifle ich. Überflüssige jüngere Töchter, die von zu Hause weglaufen, werden im Allgemeinen nicht mit Ländereien belohnt.« Sie küsste ihn wieder und zerstrubbelte mit den Fingerspitzen seinen Bart. »Und nachdem meine Eltern den Brief gelesen hatten, den ich zurückließ, konnten sie mich sicher nicht schnell genug enterben.«
    »Götter! Das tut mir leid.«
    »Es braucht dir nicht leidzutun.« Ihre Finger liebkosten seine Brust. »Solche Sachen passieren nun mal. Man macht einfach weiter. Und hier und da findet man etwas, das einem hilft zu vergessen.«
    »Du hast vollkommen recht«, flüsterte er; danach waren sie eine geraume Weile viel zu beschäftigt, um miteinander zu sprechen.

9
     
     
    Locke wurde durch mehrere Dinge aus dem wirren Dickicht einer Träume gerissen; die brütende Hitze des Tages, der Druck von drei Bechern Wein in der Blase, das Stöhnen der verkaterten Männer rings um ihn her und die scharfen Krallen der kleinen, aber schweren Kreatur, die auf seinem Nacken schlief.
    Plötzlich kam ihm eine vage Erinnerung an Magister Tregannes Spinne; erschrocken schnappte er nach Luft, drehte sich herum und griff nach dem, was sich da an ihn klammerte. Er blinzelte sich den Schlaf aus den Augen und dann sah er, dass er nicht mit einer Spinne, sondern mit einem Kätzchen kämpfte, das ein schmales Gesicht und schwarzes Fell hatte. »Zur Hölle?«, murmelte Locke.
    »Miau«, antwortete das Kätzchen und fixierte ihn mit starrem Blick. Es hatte den Gesichtsausdruck, den alle jungen Katzen haben, nämlich den eines zukünftigen Tyrannen. Ich habe gemütlich geschlafen, und du hast es gewagt, mich zu stören, sagten die jadegrünen Augen. Als die Katze merkte, dass ihr Gewicht von zwei oder drei Pfund nicht ausreichte, um Lockes Genick mit einem scharfen Knacken zu brechen, setzte sie ihre Pfoten auf seine Schultern und beschnupperte mit ihrer feuchten Nase seine Lippen. Angewidert zuckte Locke zurück.
    »Das ist Prächtig«, sagte jemand links von ihm.
    »Prächtig? Nein, das ist lächerlich.« Locke klemmte sich das Kätzchen unter den Arm wie einen gefährlichen alchemischen Apparat. Das Tier hatte ein dünnes, seidiges Fell, und es begann laut zu schnurren. Der Mann, der gesprochen hatte, war Jabril; Locke hob vielsagend die Augenbrauen, als er sah, dass Jabril splitternackt auf dem Rücken lag.
    »Der Kater heißt Prächtig«, erklärte Jabril. »Hat er einen weißen Flecken an der Kehle und eine feuchte Nase?«
    »Ganz genau.«
    »Prächtig. Du bist adoptiert worden, Ravelle. Freust du dich nicht?«
    »Doch, das ist genau das, was ich mir immer gewünscht habe.« Locke sah sich in der halb leeren Back um. Ein paar der frischgebackenen Mannschaftsmitglieder schnarchten wie ein Sägewerk; ein, zwei rappelten sich schwerfällig auf die Füße, und mindestens einer schlummerte friedlich in einer Lache aus seinem eigenen Erbrochenen. Jedenfalls nahm Locke an, dass es seine eigene Kotze war, in der er lag.
    Jean war nirgends zu sehen.
    »Und wie hast du die Nacht verbracht, Ravelle?« Jabril stützte sich auf den Ellbogen ab. »Sehr tugendhaft, glaube ich.«
    »Mein Beileid.« Jabril grinste. »Kennst du Malakasti von der Blauen Wache? Die mit den roten Haaren und den eintätowierten Dolchen auf den Fingerknöcheln? Götter, die Frau ist geil wie ein Tier!«
    »Wenn ich mich recht erinnere, hast du das Fest ziemlich früh verlassen.«
    »Ja. Sie hat mich hart rangenommen. Und ein paar interessante Freunde hat sie auch.«
    Mit der rechten Hand massierte Jabril seine Schläfen. »Dieser Bootsmann von der Roten Wache … ich meine den Burschen, der an der linken Hand keine Finger mehr hat. Ich hätte nie gedacht, dass diese frommen Ashmiri-Kerle solche Tricks draufhaben. Dabei sind sie so gottesfürchtig. Ich kann dir sagen …«
    »Kerle? Ich wusste gar nicht, dass du auf … äh … deinesgleichen stehst.«
    »Na ja, man muss eben alles einmal ausprobieren.« Jabril schmunzelte. »Oder auch fünf bis sechs Mal, wie letzte Nacht zum Beispiel.« Er kratzte sich den Bauch und schien erst jetzt zu bemerken, dass er völlig nackt war. »Hölle! Gestern hatte ich doch noch eine Hose …«
    Wenige Minuten später trat Locke hinaus ins Sonnenlicht, Prächtig immer noch unter den Arm geklemmt. Als Locke sich streckte und

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