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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
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zog ihn mit einem jähen Ruck nach vorn und verpasste ihm gleichzeitig einen wuchtigen Fausthieb aufs Kinn. Während der Junge Blut spuckte und versuchte, die Tränen, die ihm vor Schmerzen in die Augen getreten waren, wegzublinzeln, rammte Jean ihm zuerst den Fuß in den Schritt und trat danach die Beine unter ihm weg. Wie durch ein Wunder erschien das Stilett des Burschen plötzlich in Jeans linker Hand, und er fing an, es langsam herumzuwirbeln.
    »Ihr Jungs könnt doch sicher einfache Rechenaufgaben lösen«, spottete er. »Eins plus eins bedeutet wer sich mit mir anlegt, kriegt eins auf den Sack!«
    Der Junge, der ihn mit der Klinge angegriffen hatte, schluchzte still vor sich hin und musste sich übergeben.
    »Lasst uns über Steuern sprechen.« Jean schritt am Rand der Halle entlang und kippte unterwegs mit achtlosen Fußtritten ein paar leere Weinflaschen um, die den Boden dutzendweise übersäten. »Es sieht mir ganz danach aus, als ob ihr genug einnehmt, um ordentlich zu essen und zu trinken. Das ist gut so. Ich verlange von eurer Beute vierzig Prozent, in barer Münze. Etwas anderes akzeptiere ich nicht. Ihr werdet jeden zweiten Tag eure Steuern zahlen, und zwar von heute an. Her mit euren Geldbörsen und die Taschen von innen nach außen gekehrt!«
    »Vergiss es, du Wichser!«
    Jean schlenderte zu dem Jungen hin, der gesprochen hatte; der Bursche stand mit überkreuzten Armen an der hinteren Wand der Gerberei. »Passt es dir nicht? Dann schlag mich doch.«
    »Äh …«
    »Findest du diese Regelung nicht gerecht? Ihr beklaut Leute, damit ihr von deren Geld leben könnt, richtig? Mach mal eine Faust, mein Sohn.«
    »Äh …«
    Jean schnappte sich den Jungen, wirbelte ihn herum, packte ihn beim Nacken und am Bund seiner Kniehose und rammte ihn mit dem Kopf voran mehrere Male gegen die aus dicken Holzbohlen bestehende Außenwand der Gerberei. Als Jean ihn dann losließ, landete der vorlaute Bursche mit einem dumpfen Knall auf dem Boden; er war außerstande, sich zu wehren, als Jean seine Tunika abklopfte und eine kleine lederne Geldkatze zutage förderte.
    »Von dir verlange ich zusätzlich Schadensersatz, weil du mit deinem dicken Schädel die Wand meiner Gerberei beschädigt hast.« Er leerte den Inhalt der Börse in seine eigene, dann warf er den schlaffen Geldbeutel neben den Jungen auf den Boden. »So, und ihr anderen kommt jetzt zu mir und stellt euch in einer Reihe auf. In einer Reihe aufstellen, habe ich gesagt!
    Vier Zehntel ist nicht viel. Und ich rate euch, ehrlich zu sein. Ihr könnt euch denken, was mit dem Typen passiert, den ich beim Bescheißen erwische!«
    »Wer zum Teufel bist du überhaupt?« Der erste Junge näherte sich Jean mit einer Handvoll Münzen und der Frage.
    »Nennt mich …«
    Als Jean zu sprechen anfing, blitzte in der freien Hand des Burschen ein Dolch auf; er ließ das Geld fallen und sprang Jean an. Der viel massigere Mann drückte den ausgestreckten Arm des Jungen nach außen weg, dann beugte er sich tief nach unten und stieß dem Burschen seine rechte Schulter in den Bauch. Mühelos hob er das eher mickrige Kerlchen auf seine Schulter und warf ihn über den Rücken nach hinten, sodass der Junge mit dem Gesicht zuerst auf den harten Boden fiel. Dort lag er, sich vor Schmerzen krümmend, neben dem anderen Messing-Kerl, der Jean mit einer Klinge angegriffen hatte.
    »Callas. Tavrin Callas lautet mein voller Name.« Jean lächelte. »Ein raffinierter Trick, auf mich loszugehen, während ich spreche. Das kann ich zumindest respektieren.«
    Jean tänzelte ein paar Schritte zurück, um die Tür zu blockieren. »Trotzdem gewinne ich den Eindruck, dass das vernünftige Konzept, das ich für euch vorgesehen habe, euren Horizont übersteigt. Muss ich jedem Einzelnen von euch erst die Fresse polieren, ehe ihr kapiert, was los ist?«
    Es erhob sich ein gemurmelter Chor, und eine nicht geringe Anzahl von Jungen schüttelte den Kopf, wenn auch widerstrebend.
    »Gut.« Danach ging die Geldübergabe glatt vonstatten; Jean heimste eine zufriedenstellende Summe ein, die mit Sicherheit ausreichte, um das Quartier im Gasthof eine weitere Woche lang zu halten. »Ich gehe jetzt. Ruht euch aus und arbeitet heute Nacht fleißig. Morgen, um die zweite Nachmittagsstunde, komme ich zurück. Dann reden wir über gewisse Veränderungen, die sich ergeben werden, jetzt, da ich der neue Boss der Messing-Kerle bin.«

3
     
     
    Natürlich bewaffneten sich die Jungen, und um die zweite Nachmittagsstunde

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