Sturm ueber roten Wassern
ist«, erklärte Locke, »dass ich aus Gründen, die Sie nie verstehen werden, in Ihr Haus eingebrochen bin, mit dem einzigen Ziel, Ihnen etwas zu geben – ich serviere Ihnen Maxilan Stragos’ Kopf auf einem Silbertablett!«
»Was?«
»Im übertragenen Sinne natürlich. Für seinen Kopf habe ich bereits eine andere Verwendung. Aber ich weiß, wie glücklich Sie wären, wenn man das Archonat plattmachen würde wie einen Ameisenhügel, deshalb sage ich es nur einmal: Ich habe die Absicht, Maxilan Stragos für immer zu entmachten, und es wird noch in dieser Nacht geschehen. Und dabei müssen Sie mir helfen.«
»Aber … Sie sind doch eine Art Spitzel des Archonten …«
»Jerome und ich arbeiten nicht freiwillig für ihn, wir werden erpresst. Stragos’ persönlicher Alchemist verabreichte uns ein latentes Gift. Solange Stragos uns das Gegenmittel verweigert, müssen wir ihm dienen, andernfalls gehen wir elend zugrunde. Aber der verdammte Wichser ist zu weit gegangen, und jetzt hat er den Bogen endgültig überspannt.«
»Sie könnten … Sie könnten Provokateure sein, von Stragos geschickt, um …«
»U m was zu tun? Ihre Loyalität zu testen? Sind Sie durch einen Eid oder das Gesetz an ihn gebunden? Ich stelle Ihnen noch einmal dieselbe Frage, diesmal in Bezug auf Ihren idiotischen Verdacht, ich würde in Stragos’ Auftrag handeln – wieso sind Sie dann noch am Leben?«
»Darauf weiß ich keine Antwort.«
»Hier«, sagte Locke, ging um das Bett herum und setzte sich neben Cordo. »Ich gebe Ihnen einen Dolch.« Er warf dem Alten die Klinge in den Schoß. In diesem Moment klopfte es an der Tür.
»Vater! Vater! Einer der Bediensteten ist verletzt! Geht es dir gut? Vater, ich komme jetzt rein!«
»Mein Sohn hat einen Schlüssel«, erklärte Cordo Senior, als es im Schloss knackte.
»In diesem Fall brauche ich meinen Dolch zurück«, erklärte Locke. Er schnappte sich die Klinge und stellte sich so neben das Bett, dass es aussah, als bedrohe er den Alten.
»Kein Wort jetzt! Das dauert nur eine Minute.«
Ein stattlicher Mann von Mitte dreißig stürmte in den Raum, in der Hand ein reich verziertes Rapier. Lyonis Cordo, Priori der zweiten Ebene, Alleinerbe seines Vaters und seit mehreren Jahren verwitwet. Vielleicht der begehrteste Junggeselle in ganz Tal Verrar, was es umso erstaunlicher machte, dass er sich nur sehr selten im Sündenturm blicken ließ.
»Vater! Alacyn!« Lyonis machte einen Schritt ins Zimmer, schwenkte drohend das Rapier und breitete die Arme aus, um den Weg durch die Tür zu versperren. »Lasst von meinem Vater und der Frau ab, ihr Verbrecher! Die Hauswachen sind alarmiert, und ihr schafft es niemals bis zur …«
»Oh, um Perelandros willen! Ich habe keine Lust, so zu tun, als wollte ich jemanden verletzen«, fiel Locke dem aufgebrachten Cordo junior ins Wort. Er gab dem älteren Mann den Dolch zurück, der ihn mit spitzen Fingern hielt wie ein gefangenes Insekt.
»Da, sehen Sie. Stellen Sie sich so einen Meuchelmörder vor? Legen Sie Ihr Rapier weg, schließen Sie die Tür, und sperren Sie die Ohren auf. Wir haben etwas Geschäftliches zu besprechen.«
»Ich … aber …«
»Lyonis«, begann der ältere Cordo, »vielleicht ist dieser Mann verrückt, aber es stimmt, was er sagt – weder er noch sein Begleiter sind Mörder. Leg deine Waffe weg, und sag den Wachen …« Argwöhnisch wandte er sich an Locke. »Haben Sie meinen Diener ernsthaft verletzt, als Sie hier eingebrochen sind, Kosta?«
»Nur ein leichter Schlag auf den Kopf«, erwiderte Locke. »Davon wird er sich bald erholt haben.«
»Sehr gut.« Marius seufzte und gab Locke mit einer affektierten Bewegung den Dolch zurück; der nahm ihm die Klinge ab und steckte sie in seinen Gürtel. »Lyonis, geh und sag den Wachen, es bestehe keine Gefahr mehr. Dann schließ die Tür wieder ab, und setz dich hin.«
»Darf ich vielleicht gehen, wenn jetzt doch niemand ermordet werden soll?«, fragte Alacyn.
»Nein«, entgegnete Locke. »Es tut mir leid, aber du hast schon viel zu viel gehört. Such dir irgendwo einen Platz und mach es dir gemütlich, während du auch noch den Rest der Geschichte erfährst.« Locke wandte sich wieder Cordo senior zu. »Hören Sie, aus offensichtlichen Gründen kann sie dieses Haus erst wieder verlassen, nachdem wir unsere Angelegenheiten geregelt haben.«
»Das ist eine bodenlose Unverschämtheit …«
»Nein, Alacyn, er hat recht.« Der ältere Cordo wedelte beschwichtigend mit den Händen. »Es
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