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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
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Theologen, die seine Lehre verbreiteten, verschmähten äußeren Putz und trugen voller Stolz nur schäbige Kleidung.
    »Zamira«, wandte sich Locke an den Kapitän, »wenn es jemanden an Bord gibt, der noch mit Nadel und Faden umgehen kann, dann soll er uns zwei Kutten zusammenschustern. Aus Segeltuch, alten Klamotten, egal was. Es klingt makaber, aber auf diesem Schiff dürfte sich eine Menge Zeug befinden, das keinen Besitzer mehr hat .«
    »Die Überlebenden werden um die Sachen würfeln, und was an Geld vorhanden ist, wird von mir gerecht verteilt«, erwiderte sie. »Aber ich kann ein paar Dinge als Erste beanspruchen.«
    »Und wir brauchen etwas aus blauem Stoff«, fuhr Locke fort. »Die blauen Androni-Stirnbänder. Solange wir die tragen, gelten wir als heilige Männer, nicht nur als zerlumpte Vagabunden.«
    »Ezris blaue Tunika«, schlug Jean vor. »Sie … befindet sich noch in ihrer Kabine. Die Farbe ist ein bisschen verschossen, aber …«
    »Na, das ist doch perfekt«, meinte Locke. »Zamira, als wir nach unserem ersten Landgang in Tal Verrar auf die Orchidee zurückkamen, gab ich Ihnen ein Schriftstück zur Aufbewahrung. Es trägt Requins Siegel. Jerome, du musst deine Fähigkeiten als Fälscher unter Beweis stellen, so wie Chains es uns beigebracht hat. Solche Sachen kannst du besser als ich, und das Resultat muss überzeugend sein.«
    »Ich werd’s versuchen. Ich bin mir nur nicht sicher, ob ich mich im Augenblick auf eine so knifflige Aufgabe … konzentrieren kann.« »Streng dich an. Tu’s für mich. Für sie.« »Und wohin kommt das Siegel?«
    »Auf ein sauberes Blatt Pergament. Oder Papier. Egal. Haben Sie so etwas, Zamira?« »Ein ganzes freies Blatt? Ich glaube nicht, dass Paolo und Cosetta mir eines gelassen haben. Aber ein paar sind nur zum Teil vollgekritzelt; vielleicht finde ich eines, das ich in zwei Hälften schneiden kann.«
    »Dann tun Sie das. Jerome, ein paar der Werkzeuge, die du brauchst, findest du in meiner alten Seekiste in Zamiras Kajüte. Darf er sie zum Arbeiten benutzen und bekommt er ein paar Laternen dafür, Käpt’n?«
    »Paolo und Cosetta weigern sich, das Kabelgatt zu verlassen«, erwiderte Zamira. »Sie sind zu verängstigt. Ich habe ihnen Bettzeug und alchemische Lampen runtergebracht.
    Die Kajüte steht euch zur Verfügung.«
    »Du wirst auch deine Spielkarten brauchen«, meinte Jean. »Jedenfalls nehme ich das an.«
    »Zur Hölle, natürlich habe ich vor, die Karten zu benutzen. Ich brauche sie und dann noch die beste Ausrüstung, die wir zusammenkratzen können. Dolche. Kurze Schnüre, am besten aus Halbseide. Geld, Zamira – proppenvolle kleine Börsen mit fünfzig, sechzig Solari, falls wir auf ein Problem stoßen, das wir mit Münzen aus der Welt schaffen können. Und ein paar Totschläger. Wenn Sie keine haben, dann kann man aus Segeltuch und Sand welche basteln …«
    »Und ein Paar Äxte«, ergänzte Jean.
    »In meiner Kajüte sind zwei. Ich fand sie übrigens in deiner Kiste.«
    »Was?« Ganz kurz huschte ein erfreuter Ausdruck über Jeans Gesicht. »Sie haben meine Äxte?«
    »Ich konnte sie gut gebrauchen. Ich wusste nicht, dass sie etwas Besonderes sind, sonst hätte ich sie dir zurückgegeben, als du meiner Mannschaft beigetreten bist.«
    »Etwas Besonderes? Für ihn sind sie mehr Familienmitglieder als Äxte«, versetzte Locke.
    »Ja, den Göttern sei Dank. Und wie passt das alles zusammen?«, erkundigte sich Jean.
    »Wie ich schon sagte, das ist eine höchst intelligente Frage, und ich werde gründlich darüber nachdenken …«
    »Wenn sich dieses Wetter hält, sichten wir Tal Verrar nicht vor morgen Abend«, warf Zamira ein. »Du hast also Zeit genug, um dir Gedanken zu machen. Und das Grübeln wird hauptsächlich auf der Ausguckplattform im Fockmast stattfinden. Ich kann auf keine Hand verzichten.«
    »Das ist mir klar«, entgegnete Locke. »Käpt’n, es wäre das Beste, wenn wir uns Tal Verrar von Norden nähern. Was auch immer wir unternehmen werden, zuerst müssen wir dem Viertel der Händler einen Besuch abstatten.«
    »Cordo?«, fragte Jean.
    »Cordo«, bekräftigte Locke. »Ob es der alte oder der junge ist, spielt keine Rolle. Sie werden uns notgedrungen empfangen müssen, wenn wir durch eines ihrer verdammten Fenster einsteigen.«

2
     
     
    »Was zur Hölle –«, wunderte sich ein würdevoller, gut gekleideter Diener, der das Pech hatte, an dem Fenster im Alkoven im vierten Stock vorbeizugehen, durch das Locke und Jean gerade

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