Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
Vom Netzwerk:
durch den Archonten, der uns vorwirft, Verbrechen gegen den Verrari-Staat begangen zu haben. So zu handeln steht doch in Ihrer Macht. Und Ihre Macht wird sich schon sehr bald ausweiten. Kommen Sie, geben Sie ruhig zu, dass Ihnen diese Vorstellung gefällt.«
    »Aber Ihre Beute bleibt hier«, bestimmte der Archont. »Von mir aus können Sie stehlen, was immer Ihr Herz begehrt. Sie bringen es zu mir, und ich nehme es in Verwahrung. Da Sie wegen des Gegengiftes ohnehin zu mir zurückkommen müssen, ist Ihr Diebesgut bei mir gut aufgehoben, bis sich unsere Wege trennen.«
    »Das ist …«
    »Es dient meiner Beruhigung«, erklärte Stragos warnend. »Ich betrachte es als eine Art Unterpfand. Wenn zwei Männer, die wissen, dass sie bald sterben werden, plötzlich gewaltige Geldsummen in die Finger bekommen, könnten sie leicht dazu verführt werden, zu flüchten und die letzten Wochen ihres Lebens nur noch zu saufen und herumzuhuren.«
    »Wahrscheinlich haben Sie recht«, gab Locke zu, Verärgerung heuchelnd. »Jedes einzelne Stück, das wir bei Ihnen zurücklassen …«
    »Wird gewissenhaft aufbewahrt, verlassen Sie sich darauf. Egal, worin Sie zwei Jahre Mühe und Arbeit investiert haben, es wartet auf Sie und wird Ihnen in exzellentem Zustand übergeben, wenn Ihr Geschäft mit mir zu einem Abschluss gekommen ist.«
    »Uns bleibt wohl keine andere Wahl. Einverstanden.«
    »Dann lasse ich sofort Haftbefehle für Leocanto Kosta und Jerome de Ferra ausstellen«, sagte Stragos. »Den Wunsch erfülle ich Ihnen – aber wenn Sie und dieses Syresti-Luder nicht ganze Arbeit leisten, mögen die Götter Ihnen gnädig sein.«
    »Wir werden unser Bestes geben«, versprach Locke. »Darauf wurde ein Eid geschworen.«
    »Meine Soldaten …«
    »Die Allsehenden Augen«, berichtigte Locke. »Schicken Sie Ihre Allsehenden Augen.
    Unter den gemeinen Soldaten müssen sich Agenten der Priori befinden. Ich würde mein Leben darauf verwetten, dass Sie auf Ihre Allsehenden Augen ein wachsameres Auge halten als auf Ihre anderen Truppen. Außerdem erschrecken sie die Leute zu Tode. Bei dieser Operation ist es wichtig, die Menschen zu schockieren, damit sie nicht zum Nachdenken kommen.«
    »Hmmm«, brummte Stragos. »Das leuchtet mir ein.«
    »Und jetzt hören Sie mir bitte aufmerksam zu«, fuhr Locke fort.

5
     
     
    Es war ein schönes Gefühl, sich bis auf die Haut auszuziehen.
    Wenn man nach einer langen Zeit der Verstellungen, Maskeraden und Betrügereien wieder seine normale Identität annahm, war das beinahe so, als tauche ein Ertrinkender wieder an die Oberfläche auf, um tief Luft zu holen. Während sie zum allerletzten Mal die Goldene Treppe hinaufstapften, fiel die Last der vielschichtigen Lügen und falschen Identitäten nach und nach von ihnen ab, und sie ließen diese ganze Scheinwelt hinter sich zurück wie ein überflüssig gewordenes Kleidungsstück, das man wegwirft. Nun, da sie den Urheber dieser mysteriösen Mordversuche kannten, brauchten sie sich nicht als Priester verkleidet in dunklen Ecken herumzudrücken; sie konnten sich frei bewegen und weglaufen wie gewöhnliche Diebe, denen die Mächtigen dieser Stadt dicht auf den Fersen waren.
    Und nichts anderes waren sie ja – ganz normale, gemeine Diebe.
    Eigentlich hätten er und Jean diese Situation nach Kräften genießen müssen, sich schier ausschütten vor Lachen, wie sie es immer taten, wenn ihnen ein Coup geglückt war.
    Dann verfielen sie in eine Hochstimmung, die einem Rausch sehr nahekam. Reicher und schlauer als alle anderen. Aber in dieser Nacht war Jean sehr einsilbig, und Locke übernahm das Reden; in dieser Nacht kämpfte Jean darum, nicht die Beherrschung zu verlieren, bis zu dem Augenblick, in dem er zuschlagen konnte – und mochten die Götter denen gnädig sein, die ihm dann in die Quere kamen.
    Calo, Galdo und Bug, dachte Locke. Ezri. Er und Jean hatten nie etwas anderes gewollt, als so viel zu stehlen, wie sie tragen konnten, und sich dann lachend in Sicherheit zu bringen. Warum hatten so viele geliebte Menschen mit ihrem Leben dafür bezahlen müssen? Wieso musste es immer irgendeinen blöden Vollidioten geben, der sich einbildete, man könnte ungestraft einen Camorri verarschen?
    Denn das kann man nicht, dachte Locke und sog durch die zusammengebissenen Zähne die Luft ein, während der Sündenturm drohend über ihnen aufragte und den dunklen Himmel mit seinen blauen und roten Lichtern erhellte. Das kann man nicht. Wir haben es schon einmal bewiesen,

Weitere Kostenlose Bücher