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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
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auch?«
    »Hat vielleicht ein Mann in einem hohen Turm Sie geschickt?«
    Die Frau lächelte, gab jedoch keine Antwort. Im nächsten Moment zeigte sie nach vorn. »Biegen Sie an der nächsten Ecke links ab. Im ersten Haus an der rechten Seite sehen Sie eine offene Tür. Gehen Sie dorthin, und befolgen Sie die Anweisungen.« Wie versprochen entdeckten sie gleich hinter der nächsten Straßenkreuzung die offene Tür; ein Rechteck aus gelbem Licht malte sein blasses Abbild auf den Boden. Die Frau betrat vor ihnen das Haus. Locke, der außer den Bogenschützen auf den Dächern noch mindestens vier oder fünf Beschatter ausgemacht hatte, seufzte und gab Jean schnell ein Handzeichen – ganz ruhig bleiben.
    Die Örtlichkeit sah aus wie ein Ladenlokal, das nicht mehr benutzt, aber gut in Schuss gehalten wurde. Im Raum befanden sich sechs weitere Personen; Männer und Frauen in Lederwämsen, die mit silbernen Streifen verstärkt waren, standen aufgereiht mit dem Rücken zur Wand. Vier von ihnen hielten gespannte Armbrüste in den Händen, die jeden Gedanken an Widerstand, den Locke vielleicht insgeheim gehegt hatte, im Keim erstickten. Selbst Jean hätte gegen eine solche Übermacht nichts ausrichten können.
    Einer der Armbrustschützen schloss leise die Tür, und die Frau, die Locke und Jean hergebracht hatte, drehte sich um. Ihr Mantel fiel vorne auf, und Locke sah, dass auch sie einen Harnisch aus mit Silber besetztem Leder trug. Sie streckte die Hände aus.
    »Waffen her«, befahl sie höflich, aber energisch. »Sofort.« Als Locke und Jean einen Blick tauschten, fing sie an zu lachen.
    »Seien Sie nicht töricht, meine Herren. Wenn wir Sie umbringen wollten, hätten wir Sie längst an der Wand aufgespießt. Ich werde auf Ihr Eigentum gut achtgeben.«
    Locke fügte sich, zog langsam ein Stilett aus der Tasche und schüttelte das andere aus dem Ärmel. Jean folgte seinem Beispiel und förderte seine zwei identischen Äxte und nicht weniger als drei Dolche zutage.
    »Ich mag Männer, die gut ausgerüstet sind«, kommentierte die Frau. Sie reichte die Waffen an einen der Männer, die hinter ihr standen, weiter und zog zwei Kapuzen aus einem dünnen Stoff aus ihrem Mantel. Eine gab sie Locke, die andere Jean. »Ziehen Sie die bitte über den Kopf. Dann können wir eitermachen.«
    »Wozu soll das gut sein?« Argwöhnisch schnüffelte Jean an einer Kapuze, und Locke tat das Gleiche. Der Stoff schien nicht mit einer toxischen Substanz präpariert zu sein.
    »Die Kapuzen dienen Ihrem eigenen Schutz. Wollen Sie wirklich, dass man Ihre Gesichter sieht, wenn wir Sie unter Bewachung durch die Straßen schleppen?«
    »Eigentlich nicht«, räumte Locke ein. Stirnrunzelnd stülpte r sich die Kapuze über und stellte fest, dass er nun blind war.
    Schritte polterten, und man hörte das Geräusch von flatternden Mantelschößen.
    Kräftige Hände packten Lockes Arme und bogen sie hinter seinen Rücken. Dann spürte er, dass er an den Handgelenken gefesselt wurde. Neben ihm erklangen tumultartige Geräusche und eine Reihe ärgerlicher Grunzlaute; vermutlich hatte sich eine größere Anzahl Männer auf Jean gestürzt.
    »So, das hätten wir«, verkündete die Frau hinter Lockes Rücken. »Los geht’s, schön zügig. Keine Angst, dass Sie stolpern könnten – Sie bekommen Unterstützung.« Mit »Unterstützung« meinte sie offenbar, dass man ihre Arme umklammern und sie einfach mitschleifen würde. Locke merkte, dass sich Pranken wie Schraubstöcke um seine Oberarme pressten, und er räusperte sich. »Wohin gehen wir?«
    »Wir unternehmen eine Bootsfahrt, Meister Kosta«, erwiderte die Frau. »Stellen Sie keine Fragen mehr, denn ich werde sie nicht beantworten. Und nun vorwärts.«
    Locke hörte ein Knarren, als die Tür wieder geöffnet wurde, und dann drehten die Leute, die ihn festhielten, ihn ein paarmal um die eigene Achse, damit er die Orientierung verlor. Schließlich kehrten sie zurück in die schwüle Verrari-Nacht, und Locke fühlte, wie ihm dicke, kitzelnde Schweißtropfen über die Stirn perlten.
     

R ückblick
    Pläne
     
     
    »Mist!«, fluchte Locke, als das Kartenspiel in seiner verletzten linken Hand plötzlich nach oben wegrutschte. Jean zuckte vor dem Schauer aus Spielkarten zurück, der durch das Kutschenabteil hagelte.
    »Versuch es noch mal«, forderte er Locke auf. »Vielleicht klappt es beim achtzehnten Durchgang.«
    »Früher war ich ein Meister darin, sie mit einer Hand zu mischen.« Locke hob die Karten auf und

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