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Sturm über Sylt

Sturm über Sylt

Titel: Sturm über Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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Generalstabschef von Hötzendorf ginge, hätte Österreich-Ungarn nach dem Attentat sofort zum Angriff auf Serbien geblasen. Aber Kaiser Franz Joseph hat erst mal eine Untersuchung des Falls angeordnet. Sonst wäre es vielleicht schon so weit.«
    »Na, siehst du«, entgegnete Aletta. »Es wird alles gut.«
    Ludwig jedoch wurde immer gereizter. »Ein schneller Überraschungsschlag wäre für die k. u. k. Armee gar nicht durchführbar, nur deswegen zaudert der Kaiser. Und der ungarische Ministerpräsident zum Glück auch. Wien will sich anscheinend raushalten. Aber ein Krieg wird dadurch nicht verhindert. Bulgarien, Rumänien und das Osmanische Reich stehen auf Seiten des Dreibundes. Die sind dabei, wenn Serbien eine Lektion erteilt wird. Der deutsche Botschafter in Wien kann es gar nicht abwarten, das wurde mir am Telefon erzählt. Und wenn es dann zum Streit mit Russland kommt ...«
    Aletta legte missmutig ihr Messer zur Seite. »Ludwig, bitte! Ich habe genug Probleme. Musst du mir den Tag noch mit diesem Gerede über Krieg verderben?«
    Es war Ludwig Burger anzusehen, wie sehr er sich zusammenreißen musste, um nicht scharf zu reagieren. Er beugte sich vor, griff nach Alettas Händen und sah sie eindringlich an. »Liebes, wenn ich die Macht hätte, würde ich alle Probleme von dir fernhalten. Jeden Krieg und auch die Schwierigkeiten mit deiner Schwester, aber ...«
    Aletta, die nicht wollte, dass er das Gespräch schon wieder in Richtung Kriegsgefahr führte, sagte schnell: »Ich glaube, Insa möchte mich loswerden. Sie sagt, ich passe nicht mehr nach Sylt.«
    Ludwig drückte ihre Hand so fest, dass Aletta schmerzhaft das Gesicht verzog. Dann lehnte er sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich möchte etwas mit dir besprechen.«
    Aletta merkte, dass etwas Ernstes auf sie zukam, so ernst, dass sie nicht wagte, Ludwig mit einer Lappalie abzulenken. »Geht es schon wieder um Krieg?«
    »Ich muss nach Wien zurück. Mein Land braucht mich.«
    Aletta nickte. »Gut, dann lass uns den Urlaub abbrechen. Zwei Wochen sind wir jetzt hier, und ich habe mich gut erholt. Das reicht.«
    Aber Ludwig schüttelte den Kopf. »Ich denke, es ist besser, wenn ich allein fahre.«
    Aletta sah ihn entgeistert an. »Warum?«
    »Was ist, wenn ich eingezogen werde? Was soll dann mit dir geschehen?«
    »Du meinst also wirklich ...?«
    Mit Ludwigs Beherrschung war es vorbei. »Ja, verdammt! Ich meine, dass es Krieg geben wird! Wann glaubst du mir endlich?«
    Aletta erschrak. So hatte er noch nie mit ihr gesprochen. Eigentlich wollte sie gekränkt auffahren oder sich beleidigt abwenden, aber etwas in seinem Gesicht hielt sie davon ab. Da war ein so tödlicher Ernst in Ludwigs Augen, dass sie sich auf seine Worte einlassen musste. Auch wenn sie nicht wollte.
    Ludwig beugte sich wieder vor. »Verzeih mir, ich wollte nicht heftig werden. Aber es ist mir wichtig, dass du aufhörst, den Kopf in den Sand zu stecken. Wir müssen Pläne machen.«
    »Für den Fall, dass es Krieg gibt?«
    Ludwig nickte. »Ich möchte, dass du auf Sylt bleibst.«
    »Wie stellst du dir das vor?«, fragte Aletta aufgeregt. »Im August beginnen die Proben ...« Sie brach ab und sah Ludwigverlegen an. »Wenn es Krieg gibt, wird wohl nichts aus den Proben?«
    »Mit Sicherheit nicht.«
    »Aber ob das Zimmer im ›Miramar‹ so lange frei ist ...«
    »Natürlich kannst du nicht auf Dauer im Hotel wohnen. Du ziehst in dein Elternhaus. Es gehört dir zur Hälfte, seit deine Mutter tot ist.«
    »Insa wird damit nicht einverstanden sein.«
    »Es ist dein Recht, dort zu wohnen. Und ich wäre ruhiger, wenn ich dich hier wüsste. In Wien könntest du nicht bleiben, wenn ich eingezogen werde.«
    Aletta dachte kurz nach und stellte fest, dass er recht hatte. Zögernd nickte sie. »Und die Engagements? Wir haben Verträge unterschrieben.«
    »Das wird alles hinfällig, wenn Krieg ausbricht.«
    Aletta starrte ihn an, als würde ihr jetzt erst klar, welche Gefahr auf sie zukam. »Du meinst ... es ist dann alles vorbei? Ich kann nicht mehr singen?«
    Ludwig lenkte ein: »Man muss sehen.«
    Plötzlich war die Stimmung schwer und gedrückt. Die fröhlichen Rufe, die vom Strand hochdrangen, rückten von Aletta ab, der Himmel war nicht mehr so blau, der Wind frischte auf und ließ sie frösteln. Bis zu diesem Augenblick war es ihr gelungen, die Gefahr, die auf sie zukam, zurückzudrängen, sie zu verleugnen und totzuschweigen. Nun erhob sie sich plötzlich vor ihr und ließ sich

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