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Sturm über Sylt

Sturm über Sylt

Titel: Sturm über Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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Unterwäsche aus dem Schrank geholt, ihre Haare geöffnet und angefangen, sie zu bürsten. Es war derart mühselig, dass Insa anbot, ihr die Haare zu entwirren. »Komm mit in die Küche! Dort wird es gehen. Ich koche dir einen Tee. Und ich habe frisches Brot gebacken. Es ist noch warm. Das wird dir guttun.«
    Alettas Dankbarkeit sorgte für den letzten Schritt, den sie über die Schwelle ihrer Trauer setzte, zurück ins Leben. Die Tür würde nie hinter ihr zufallen, die Trauer ihr immer folgen, aberAletta war nun sicher, dass sie in ihrem Leben einen Platz einnehmen würde, der wie für Ludwig der richtige war: immer in ihrer Nähe, aber nie besitzergreifend. Nun erfasste sie endlich, warum Ludwig kein Kind von ihr wollte. Ein Kind hätte ihr wichtiger sein können als ihr Gesang. Ludwig hatte sie besser gekannt als sie sich selbst. Er hatte vorausgesehen, dass das Glück, das ihr die Kunst schenkte, vom Glück der Mutterschaft absorbiert worden wäre und sie am Ende weder das eine noch das andere hätte glücklich machen können.
    Als sie die Küche betrat, von der Wärme umschlungen wurde, den Duft des Brotes in sich aufnahm und Insas Erleichterung spürte, war es so, als hätte sie Ludwig nun zu Grabe getragen und die schönste Blume der Insel auf seinen Sarg geworfen. Das Schlimmste war überstanden, es gab keine offenen Fragen mehr, mit den Antworten musste sie nun leben! Das würde sie lernen müssen, aber seit sie erkannt hatte, worauf es Ludwig angekommen war, glaubte sie, dass sie es schaffen würde.
    Sie setzte sich an den Tisch und ließ sich von Insa Tee und Brot vorsetzen. »Insa ... kannst du mich zu Frauke Lützen begleiten?«
    Insa erstarrte mitten in der Bewegung. Dann sah sie Aletta an, als wüsste sie, was sie mit dieser Frage bezweckte. »Was willst du dort? Ihr die Kleider zum Weitermachen bringen?«, fragte sie dennoch.
    Aletta senkte den Kopf und nahm das Schweigen auf ihre Schultern. Insa stellte einen Krug mit Butter und das Käsebrett neben ihren Teller. Sie setzte sich, ohne das Schweigen zu brechen.
    Schließlich sagte Aletta: »Ich kann das Kind nicht bekommen. Es würde mir Ludwig nehmen.«
    Sie hatte mit Gegenwehr gerechnet, mit Vorwürfen, moralischen Bedenken, mit Entrüstung und dem Hinweis auf den Herrn, dem es allein oblag, Leben zu geben und zu nehmen. Aber Insa sagte nur: »Kinder, die niemand haben will, sollten auch nicht zur Welt kommen.«
    »Du hilfst mir?«
    Aber die Zeit, in der Insa sie im Arm gehalten hatte, war vorbei. »Ich kann dir sagen, wo Frauke wohnt. Alles andere ist deine Sache.«
    »Du bist einverstanden mit meiner Entscheidung?«
    »Ich habe dir doch gesagt, was ich davon halte, ein Kind zu bekommen, das niemand will.«
    »Ich muss singen. Für Ludwig! Wenn der Krieg vorbei ist, muss ich in mein altes Leben zurück. Ich habe es ihm versprochen. Ludwig wollte kein Kind. Die Erinnerung an ihn hätte keinen Platz neben einem Kind.«
    »Und wenn er überlebt hätte?«
    »Mir ist klar geworden, dass eine Schwangerschaft unsere Liebe zerstört hätte.«
    »Aber er ist tot.«
    »Ich will es so machen, wie er es gewollt hätte, wenn er noch lebte.«
    »Und das hätte er gewollt?«
    »Ich weiß es erst seit ein paar Stunden. Aber ich bin ganz sicher.«
    Insa zuckte die Schultern. »Ich halte dich nicht zurück.«
    Insa tat nichts, um ihren Ärger zu verbergen, obwohl Hauptmann Hütten immer wieder versicherte: »Wir werden Ihnen keine Arbeit machen und auch keine Kosten verursachen. Für Bier und Schnaps sorgen wir selber, nur Gläser brauchen wir.«
    Insa machte einen letzten Versuch. »Meiner Schwester geht es nicht gut. Sie hat die Nachricht erhalten, dass ihr Verlobter nicht zurückkehren wird.«
    »Gefallen?«, erkundigte sich Hauptmann Hütten einigermaßen mitfühlend.
    Insa nickte der Einfachheit halber, aber Leutnant Fritz fiel ein, dass Alettas Verlobter Österreicher gewesen war, woraufhin Hütten keine Veranlassung sah, auf die Schwester seiner WirtinRücksicht zu nehmen. »Wir haben Alkohol! Und der muss vernichtet werden, bevor man ihn uns verbietet.«
    Leutnant Fritz, dem die Höflichkeit im Krieg nicht abhandengekommen war, ergänzte: »Die Männer der Inselwache leiden unter ihrem eintönigen Wachdienst. Leider hat sich mancher zum Alkohol verführen lassen und mit Einheimischen gezecht, statt die Insel zu beschützen. Es heißt sogar, einige von ihnen wären gezielt ausgesucht und betrunken gemacht worden, um ihnen dienstliche Geheimnisse zu

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