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Sturm über Sylt

Sturm über Sylt

Titel: Sturm über Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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nicht so machten wie Hauptmann Kalkhoff und die anderen Soldaten im Nachbarhaus, die sich einfach an den Zaun stellten.
    Als sie diesmal erwachte, war jedoch etwas anders. Die Geräusche, die sie geweckt hatten, waren näher gekommen, Stimmen, Geflüster, ein Zischen, voller Zorn, aber dennoch kaum hörbar, ein leises Lachen, dann abfälliges Gemurmel. Und schließlich eine heftige Abwehr, begleitet von einem Stöhnen, ein unbedachtes Geräusch, das im Eifer des Gefechts entstanden war, ein schweres Ächzen, ein gequältes Seufzen. Aletta fuhr in die Höhe. Da war jemand in Not! Jemand, der angegriffen wurde und sich zu verteidigen suchte. Sie sprang aus dem Bett und schlich zur Tür. Jemand, der darauf verzichtete, laut um Hilfe zu rufen?
    Sie legte ein Ohr ans Türblatt, aber nun war alles ruhig. Dann hörte sie ein Wispern und eine Männerstimme, die leise, aber deutlich sagte: »Überleg dir, was du tust. Wenn du nicht willst, dass es herauskommt, solltest du ein wenig entgegenkommender sein.«
    Nun glaubte Aletta genug gehört zu haben. Entschlossen riss sie die Tür auf. Vor ihr stand Hauptmann Kalkhoff aus Buxtehude, der ihr den Rücken zuwandte und mit seinem Körper ihre Schwester verdeckte, die er an die geschlossene Tür ihres Zimmers gedrängt hatte.
    »Was machen Sie da?«
    Hauptmann Kalkhoff fuhr herum und starrte sie aus glasigen Augen an. Er schwankte leicht, als er sich von Insa löste. Dass ihre Schwester sich wie ein verängstigtes Kind zwei, drei Schritte zur Seite rettete, konnte Aletta nicht verstehen. Warum nutzte Insa ihr Erscheinen nicht, um auf den Kerl loszugehen? Sie konnte sich ihres Beistandes sicher sein. Sie musste sich nicht darum kümmern, welchen Rang Kalkhoff hatte, wenn der meinte, mit seiner Befehlsgewalt auch über Frauen herrschen zu können.
    Aletta machte einen Schritt aus ihrem Zimmer heraus. »Was ist hier los?«
    »Das geht Sie gar nichts an«, erwiderte Kalkhoff.
    Aletta sah Insa an. »Was will er von dir?«
    »Er ist betrunken«, antwortete Insa, und es hörte sich so an, als wolle sie damit Hauptmann Kalkhoffs Benehmen entschuldigen.
    Aletta war fassungslos. »In diesem Teil des Hauses haben Sie nichts zu suchen«, fuhr sie Kalkhoff an. »Wenn Sie noch einmal versuchen, meine Schwester zu belästigen, melde ich Sie dem Inselkommandanten.«
    Kalkhoff lachte. »Ach, wirklich? Das würde mich aber wundern.« Wieder lachte er, diesmal so heftig, dass er sich am Treppengeländer festhalten musste, weil ihn das Lachen schüttelte und ihn beinahe von den Beinen riss. »Aber es ist wohl besser, wenn die Damen das unter sich ausmachen.« Er wandte sich Insa zu, die gerade versuchte, in Alettas Nähe zu gelangen, ohne den größtmöglichen Abstand zu ihm aufzugeben. »Wir sprechen uns noch. Und vergiss nicht, was ich dir gesagt habe.«
    Er machte einen Schritt auf Insa zu, die erschrocken zurückwich, dann schien er dieses Ziel nicht mehr für lohnend zu halten und wandte sich Aletta zu, die sich redlich bemühte, den ganzen Türrahmen auszufüllen. »Die arrogante Miene können Sie sich sparen, Gnädigste.« Er beugte sich vor, als wolle er Aletta etwas Vertrauliches zuflüstern, verlor dabei aber das Gleichgewicht und stürzte ihr mit einem Mal entgegen. Zwar versuchte er erschrocken, irgendwo Halt zu finden, aber da er den Türrahmen verfehlte, sah es so aus, als wolle er Aletta in die Arme fallen.
    »Trottel!« Entsetzt wehrte sie ihn mit beiden Händen ab und stieß ihn zurück, so dass er mehrere Schritte rückwärtstaumelte, auf die Treppe zu, und drauf und dran war, ausgerechnet vor der oberen Stufe das Gleichgewicht zu verlieren. Doch er hatte Glück und konnte sich im letzten Augenblick am Pfosten des Geländers festhalten.
    Mühsam richtete er sich auf. Als er nun das Geländer losließ, war deutlich, dass sein Zorn mehr Macht über seinen Körper hatte als der Alkoholeinfluss. Er schwankte nicht mehr. Fest stand er auf beiden Beinen, und als er den ersten Schritt auf Aletta zu machte, sah sie die Gefahr, die von ihm ausging, in seinen Augen. Wenn gekränkte Eitelkeit und Trunkenheit sich aneinander rieben, entstand oftmals eine Kraft, die nur auf diesem Punkt, genau zwischen dem Vollbesitz der geistigen und körperlichen Kräfte und dem Vollrausch, zustande kam. Wäre Hauptmann Kalkhoff nüchtern gewesen, hätte er auf die Kränkung durch eine Frau mit Arroganz und einer leeren Drohung geantwortet, im Zustand der Volltrunkenheit hätte er sich mit ein paar

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