Sturm ueber Thedra
Fakun zu denken. Sie war so mit den Anweisungen Jamiks beschäftigt gewesen, dass sie alles um sich herum vergessen hatte.
Teri blieb stehen. Es kam ihr nicht richtig vor, einfach fortzugehen, ohne Fakun noch einmal zu sehen. Schließlich war der Feind in der Stadt, sie hätte ihn wenigstens warnen können.
Teri blieb stehen, aber sie drehte sich nicht um. Vieles ging ihr durch den Kopf. - Die Erinnerung an die letzte Nacht. - Das Gefühl von Nähe, von Wärme und Geborgenheit. - Das Verlangen, das sie mit ungeahnter Heftigkeit förmlich überfallen hatte. - Die zärtlichen Berührungen ...
Teri wollte Fakun sehen! Sie war noch nicht zu weit von dem Hohlweg entfernt. Wenn sie schnell ging, würde sie noch in der Dunkelheit dort ankommen. Entschlossen drehte sie sich um - und blieb stehen.
Teri hatte vorgehabt, schnell zum Lager der Hirten zu gehen, Fakun zu wecken und zu warnen. Jetzt sah sie, dass es vielleicht schon zu spät dafür war.
Teri war nicht allein auf dem Weg. Etwa tausend Mannslängen hinter ihr bewegte sich ein dunkler Schatten vor dem helleren Hintergrund des Himmels. Der tief stehende Mond schien Teri direkt in die Augen. Um besser sehen zu können, kniff sie die Lider zu Schlitzen zusammen und versuchte zu erkennen, wer da kam.
Es war eine einzelne Gestalt, die mit schnellen Schritten den Weg entlang ging. Plötzlich wurde Teri sich bewußt, dass sie in ihrem hellen Scharanzug im vollen Mondlicht stand und weithin zu sehen sein mußte. Schnell zog sie sich in ein Gebüsch am Straßenrand zurück.
Die Gestalt schien nichts bemerkt zu haben. Mit gleichmäßiger Geschwindigkeit kam sie näher. Teri preßte sich noch tiefer in das welke Blattwerk des Busches. Nun konnte sie schon die Silhouette des Mannes erkennen. Er war von schlanker Gestalt und bewegte sich geschmeidig und gleichmäßig den Weg entlang. In seiner linken Hand trug er einen länglichen Gegenstand, den Teri noch nicht erkennen konnte.
Immer näher kam der Fremde. Vorsichtig, um in dem toten Blattwerk kein unnötiges Geräusch zu verursachen, zog Teri den kurzen Dolch. Kalt fühlte er sich an und schwer. - Leicht vorzustellen, wie diese plumpe Waffe einen Harnisch durchschlug, Fleisch zerschnitt, Knochen zerbrach ...
Teri erschrak. Das waren Gedanken, wie sie sie noch nie gedacht hatte. Es waren nicht die Gedanken eines jungen Mädchens, das heute nacht erst zur Frau geworden war. - Es waren die Gedanken einer erfahrenen Kämpferin, deren Hand nicht zittern würde, wenn sie gezwungen war, den Dolch zu führen. - War ein Teil von ihr entsetzt bei dem Gedanken einen Menschen zu verletzen, oder gar zu töten, so war der andere Teil mit der berechnenden Kälte einer jagenden Raubkatze bereit, das Nötige zu tun.
Fast unmerklich beschleunigte sich Teris Puls. Es war ihr, als rolle eine Welle heißen Blutes durch ihre Adern. Sie faßte die Waffe fester. Der Dolch schien leichter geworden zu sein, handlicher ...
Jetzt konnte Teri schon den Atem des Mannes hören, der in eiligem Marsch auf ihr Versteck zukam. Alle vier Schritte sog er die Luft tief ein, und nach weiteren vier Schritten stieß er sie wieder aus. Teri erinnerte sich. Sie hatte es auf ihrem Weg hierher genauso gemacht. Sie hatte sich in genau demselben perfekten Rhythmus bewegt, wie dieser Fremde, obwohl sie nie zuvor eine längere Strecke marschiert war.
Der Fremde war ein Feind. Ein Soldat, daran gewöhnt, weite Strecken zu Fuß zurückzulegen. Teri konnte die Kleidung erkennen. Die eng anliegende Kappe, den Harnisch, an dem ein kurzer Umhang befestigt war, den Gürtel mit dem kurzen Schwert, der straff über die weite Hose geschnallt war ...
Thedranische Stadtwachen sahen anders aus.
Teris Nerven vibrierten vor Erwartung. Ihr Herz trieb in wilden Stößen das Blut durch ihren Körper. Sie spürte eine nie geahnte Kraft in sich wachsen. ` Wenn du in Bedrängnis gerätst, wirst du schneller und stärker sein, als man es deinem Körper zutraut! ' - Hatte Jamik das damit gemeint?
Der Fremde trug einen Bogen mit einem bereits aufgelegtem Pfeil. War das Holz der Waffe auch nur als Schattenriß zu erkennen, so schimmerte die gespannte Sehne doch im Mondlicht, wie die Schneide eines Messers. Der Bogen selbst war kurz, wohl eher für den Nahkampf gedacht, als für weite Schüsse bei Belagerungen.
Jetzt hatte der Fremde Teris Versteck fast erreicht. Sie konnte sein Gesicht schemenhaft erkennen. Er schien jung zu sein, fast so jung wie Teri. Mit gleichgültiger und
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