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Sturm ueber Thedra

Sturm ueber Thedra

Titel: Sturm ueber Thedra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Stuhr
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Gepäck an den Felsen gestellt und dann auf dem Weg ins Moor etwas Scharfes, Spitzes ein Stück weit hinter sich her gezogen.
    Szin ging zu dem Felsen. Er hatte das Ahornblatt entdeckt. Ohne es zu wissen, tat er es Teri gleich, zog seinen schwarzledernen Handschuh aus und legte die Hand auf das Zeichen, aber natürlich offenbarte der Fels sich ihm nicht. Szin hatte auch nichts Derartiges erwartet. Es war ein Ritual, mehr nicht. Er berührte gern all die Spuren, die das Wild zurückließ - nahm sie in sich auf. Es war für ihn, als lasse er einen unsichtbaren Faden durch seine Finger laufen. Einen Faden, an dessen Ende sein Ziel auf ihn wartete.
    Szin beschattete die Augen mit der Hand und spähte gegen die Sonne in das Moor hinein. Kaum erkennbar zog sich eine schwache Spur durch das trockene Herbstgras. Von der Hüterin war nichts zu sehen. Das war Szin nur recht. Eine Verfolgungsjagd hier im Moor hätte ihn leicht um die Trophäe bringen können.
    Im Moment hatte Teri auf ihrem Weg durch den Sumpf keinen eifrigeren Fürbitter als Szin. Vorsichtig folgte er ihrer Spur durch das hohe Schilf, wobei er ihr Schritt für Schritt näher kam, denn viele der Umwege, die Teri machen mußte, konnte er sich ersparen. Als er schließlich wieder festen Boden unter den Füßen hatte, war Teri gerade dabei, in der Nische ihre Vorräte auszupacken.
    Hier, im Grasland war die Spur der Hüterin leicht zu verfolgen. Aufmerksam wie ein Raubtier, das Witterung aufgenommen hat, schlich Szin auf der Fährte Teris entlang. Keinesfalls wollte er sich vorzeitig verraten. Er wollte über sie kommen, wie sich der Panther vom Baum schnellt: lautlos, überraschend und erbarmungslos!
    Plötzlich gab es eine Bewegung in einem Busch, der nahe eines Felsens stand. Szin ließ sich schnell und geschmeidig zu Boden gleiten. - Da war sie! Endlich hatte er die Hüterin gefunden. Nun würde sie ihm nicht mehr entkommen.
    Unübersehbar war die junge Frau in ihrem gelben Seidenanzug, die, etwa zweihundert Mannslängen vor ihm, über das offene Gelände ging und mit einem kleinen Topf Wasser aus einem schmalen Bachlauf schöpfte. Dann ging sie wieder zurück in den Busch und war verschwunden.
    Szin bewegte sich nicht. Zwar hatte er bemerkt, dass die Hüterin ihren rechten Arm schonte - wahrscheinlich war sie verletzt - aber warum ein Risiko eingehen? Besser war es, die Dunkelheit abzuwarten, die sich schon über das Land senkte. Wenn die Hüterin erst einmal schlief, dann konnte Szin die Sache umso gefahrloser zu Ende bringen.
    Rötliches Flackern schimmerte zwischen den Zweigen des Busches hindurch. Szin glitt lautlos näher. Er mußte zugeben, dass das Versteck gut gewählt war. - Vom Weg aus hätte er den Lichtschein nicht sehen können. - Er würde jetzt warten, bis das Feuer heruntergebrannt war - und dann ...
    Leise Töne drangen aus dem Busch hervor, hinter dem die Hüterin sich verborgen hatte. Szin grinste. - Mochte sie nur singen. - Gleich würde er ihr die etwas höheren Töne abverlangen! Doch langsam, mit dem Anwachsen der Melodie, verlor sich die bösartige Vorfreude in seinem Gesichtsausdruck. - Diese Hüterin sang gut.
    Teri hatte jetzt die Melodie gefunden und legte die Worte der Kraan darüber, wie sie es von Aska gelernt hatte. Etwas ging mit Szin vor: Ihm fiel ein Wort ein, das er längst vergessen hatte. - Diese Hüterin sang schön !
    Szin eb Szin, Großmeister der Klinge und des Schmerzes, Agent Sed eb Reas, lag in seiner Deckung und traute sich nicht, sich zu bewegen, um die junge Frau in ihrem Gesang nicht zu unterbrechen. Die Melodie, die aus der Nische zu ihm herüberdrang war sanft schwingend, vibrierend, besänftigend und betörend zugleich. Sie rührte Saiten in ihm an, die er längst zerrissen glaubte. Von Freundschaft sprach das Lied, von Liebe, Treue, Zugehörigkeit ...

    Als Teri gegessen hatte und sich zum Schlafen niederlegte, blieb Szin einfach in der Mulde liegen. Es wurde kalt. Szin spürte es nicht. Er lag da und dachte über sein verlorenes Leben nach. Es gab so vieles, was er hätte besser machen können! Warum nur hatte er den Weg wählen müssen, der ihn für immer von jeder menschlichen Gemeinschaft ausschloss? Warum hatte er von Kindheit an nur Haß gesät und geerntet? Wie kam es, dass er nur in Schmerz und Leid anderer Befriedigung fand?
    Mit plötzlicher, überwältigender Deutlichkeit wurde es Szin eb Szin, dem Großmeister der Klinge und des Schmerzes klar, dass er sein Leben nur für den Haß und die

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