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Sturm ueber Thedra

Sturm ueber Thedra

Titel: Sturm ueber Thedra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Stuhr
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Fuß, ohne zu denken, ohne zu überlegen wohin er ging und warum. Früh am Morgen war ihm in der ersten Dämmerung so gewesen, als habe sich vor ihm etwas in einem Busch am Wegesrand bewegt. Er hatte nicht darauf geachtet und war, ohne anzuhalten, an der Stelle vorbeigegangen.
    Szin war die ganze Nacht lang marschiert und hielt das Tempo auch bis zur Tagteilung durch. Es war einer von diesen Tagen, an denen es selbst zur Mittagsstunde nicht richtig hell wird. Dunkle Wolken schoben sich in dicken Schichten von Norden her über das Land, und manche davon ließen feine Schleier stäubenden Schnees über die Moorlandschaft wehen. Ohne, sich irgendwo auf dem gefrorenen Weg festsetzen zu können, wirbelten die winzigen Kristalle über die steinharte Erde, bis der Wind sie mit leise raschelnden Geräuschen zwischen die Halme der Gräser fegte.
    Der Horizont war den ganzen Tag lang noch nicht zu erkennen gewesen. Nahtlos ging die Unendlichkeit der Moorlandschaft irgendwo im Grau in die Unendlichkeit des Himmels über. Es war, als sei die Welt eine graue Kugel, in der der Weg schnurgerade immer weiter führe; ohne Anfang und Ende, ohne Sinn und Ziel.
    Nur Wolken und tanzende Eiskristalle in immer neuen Schichtungen und Wirbeln bewegten sich in dieser unwirklichen Welt, die es dem Wanderer leicht machte zu gehen. Immer weiterzugehen - denn es gab keinen Punkt, an dem er hätte anhalten können - nur grenzenlose, einschläfernde Öde und kalten, vorantreibenden Wind.
    Etwa zehn Sonnenhöhen nach der Tagteilung sah Szin zwei schemenhafte Gestalten auf dem Weg vor sich. Er ging ruhig weiter. Zeitweise verschwanden die dunklen Schatten wieder hinter treibenden Schneeschleiern, aber Szin kam ihnen unaufhaltsam näher. Jetzt konnte er erkennen, wen er vor sich hatte. Ein Lächeln überzog sein Gesicht. Es waren die Bogenschützen mit denen er gekommen war. Seine Freunde, die mit ihm gekommen waren um ...
    Szin runzelte die Stirn. Irgend etwas stimmte nicht! Diese Männer waren seine Freunde, aber sie hatten ihn verlassen! - Sie waren zurückgeblieben, als er sie brauchte.
    Szin ging schneller. Jetzt war er schon ganz nahe hinter den Männern, die sich erschöpft über den gefrorenen Weg schleppten. Die kleinen, harten Schneekristalle rieselten schon an manchen Stellen aus den Grasbüscheln hervor und bildeten im Windschatten kleine weiße Fahnen die nach Süden zeigten. Szin sah eine halbe Fußspur.
    Süden! Die Männer vor ihm gingen nach Süden! Sie waren ihm nicht nachgeeilt, um ihm zu helfen! Sie hatten ihn verlassen! - Szin fühlte Ärger in sich aufsteigen.
    In diesem Moment schaute sich einer der Bogenschützen um. Szin konnte erkennen, wie der Mann zusammenzuckte, seinen Kameraden anstieß und zu laufen begann.
    Der zweite Bogenschütze war nicht schnell genug. Er hatte sich noch nicht umgedreht, als Szin schon bei ihm war und ihm seinen Dolch tief zwischen die Rippen trieb.
    Szin kümmerte sich nicht um den Sterbenden. Der andere Bogenschütze versuchte abseits des Weges sein Glück. Szin behielt ihn im Auge. Der Mann rannte in kopfloser Flucht in das Moor hinein. Nach kaum zwei Dutzend Schritten schrie er auf und verschwand hinter den schneebestäubten Gräsern.
    Schnell, aber vorsichtig, folgte Szin den Spuren des Mannes. Doch obwohl erst ein paar Augenblicke vergangen waren, konnte Szin nur an der dünnen, aufgebrochenen Eisdecke zwischen den Sumpfgrasbüscheln die Stelle erkennen, wo der Mann versunken war. Wie zur Bestätigung stiegen aus der Tiefe einige Luftblasen auf, die sich blubbernd einen Weg an die schmutzigbraune Oberfläche bahnten.
    Szin wandte sich ab. Langsam begann er zu begreifen, was geschehen war: Diese Hündin hatte ihn hereingelegt - hatte ihn eingelullt mit ihrem läppischen Lied von Freundschaft und Liebe!
    Mit wutverzerrtem Gesicht schaute Szin sich um. - Eine ganze Nacht und einen halben Tag war er marschiert. Hatte vor seinem Ziel gestanden und seinen Auftrag vergessen. - Schlimmer noch: Nicht vergessen ! Er hatte diese Hüterin nicht töten wollen ! Er war dazu nicht in der Lage gewesen!
    Szin fröstelte. Eilig überschlug er seine Chancen: Noch so einen Gewaltmarsch über anderthalb Tage würde er nicht durchhalten, zumal die verdammte Hündin schon wieder aufgebrochen sein konnte. - Da war es schon sicherer, zurück nach Thedra zu gehen und die Suche von dort aus neu zu beginnen.
    Szin spürte plötzlich Hunger. - Ja, nach Thedra und dort etwas essen! Sein Blick streifte den toten

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