Sturm ueber Thedra
täglich tobten schwere Stürme über das Land und brachten weitere Schneemassen von Norden heran.
Die Welt war klein geworden für Teri und Fakun. Sie konnten sich nur noch in der nächsten Umgebung der Nische bewegen und auch das nur für begrenzte Zeit, denn die Temperatur war so niedrig geworden, dass selbst in der Nische das Essen im Topf gefror, wenn der nicht gerade nahe beim Feuer stand. Darum hatte Fakun sich bald das Schwert genommen und aus verschiedenen Büschen in der Nachbarschaft lange, biegsame Zweige herausgehauen, die sich mit Grasbüscheln zu einer festen, dicken Matte hatten flechten lassen. - Jetzt gab es also so etwas wie eine Tür vor der Nische, die die schlimmste Kälte abhielt. So bleiben die beiden denn auch möglichst bei der Wärme des Feuers in der Nische, und Fakun brachte Teri die Grundbegriffe der Kaji-Sprache bei, wofür sie sich mit ein paar Lektionen der Kraan- und der Löwensprache revanchierte, während sie eng aneinander gekuschelt unter den Decken hockten.
Ansonsten lauschten sie dem Knurren ihrer Mägen, denn auch die Nahrungsbeschaffung war zu einem Problem geworden. Nicht, dass die beiden direkt vom Hungertod bedroht gewesen wären, irgendwo gab es immer noch ein leichtsinniges Moorhuhn, das, selbst von den Entbehrungen des Winters gezeichnet, Teris Stein, oder Fakuns Pfeil nicht ausweichen konnte; aber Schnee und Kälte behinderten die Jagd genau in dem Maße, wie sie das Wild schwächten, und so blieb sich im Endeffekt wieder alles gleich.
Bevor der Bach endgültig zugefroren war, hatte es noch ein paarmal Krebsfleischsuppe gegeben, aber damit war es jetzt vorbei, und auch die Rallen, die sich noch erjagen ließen, wurden immer magerer, weil sie selbst nichts mehr zu fressen fanden. Über viele von ihnen kam in diesem Monat die große Dunkelheit, aber nur wenige davon endeten in Teris Kochtopf.
Größtenteils ernährten sich die zwei von Kolbenwurzelbrot. Fakun hatte nämlich entdeckt, dass die Wurzeln der Rohrkolben sich zwischen zwei Steinen hervorragend zu einem sämigen Brei zermahlen ließen, der ganz passabel schmeckte. Leider hatten sich die längeren, holzigen Fasern nicht ganz zermahlen lassen und waren auch sonst nicht restlos zu entfernen, so dass der Genuß dadurch getrübt wurde, dass man bei jedem Bissen meinte, den Mund voller Haare zu haben.
Aus diesem nahrhaften, aber sonst recht faden, faserigen Brei hatte Teri mit Hilfe von Hühnchenknochenbrühe ein Gemisch hergestellt, das sich auf einem heißen Stein zu brotähnlichen Streifen ausbacken ließ. Fakun war in der Zwischenzeit mit dem Schwert in den Sumpf gezogen und hatte für Nachschub an Wurzeln gesorgt, die er mit der Waffe aus dem gefrorenen Boden heraushackte.
Bei aller Freude über Jagdglück und Erfindungsreichtum war es mittlerweile so weit gekommen, dass Teri und Fakun Moorhühnchen und Kolbenwurzelbrot nicht mehr so recht mochten. Einzig Hund hatte seine Leidenschaft für Hühnchenknochen noch nicht verloren, wogegen er mit dem Brot nicht viel anzufangen wußte. Zwar hatte er es gutwillig gefressen, aber es schien ihm nicht viel zu nützen. Jedenfalls war er immer dünner geworden.
Nicht gerade einfacher wurde das Ernährungsproblem dadurch, dass Hund sich seine Nahrung nicht mehr selbst erjagen konnte. Mit seinen schmalen Pfoten brach er durch den Schnee und kam kaum noch voran. Gierig verschlang er alle Reste, die vom Essen der Menschen abfielen, und sowohl Fakun wie auch Teri übersahen ihm zuliebe mehr als einmal einige Fleischfetzen an den Knochen der Vögel. Trotzdem magerte Hund immer mehr ab. Nicht zuletzt ihm zuliebe beschlossen Teri und Fakun, nach Ablauf des Monats, zu versuchen, sich nach Moorstadt durchzuschlagen.
Die letzte Nacht in der Nische war von einem Hauch Wehmut überlagert. Mochte es auch kalt sein, und mochte auch Mangel herrschen; dies war der Ort, wo Teri und Fakun sich getroffen - wo sie sich wirklich kennengelernt hatten. Die Nische war ihr Zuhause gewesen; ihre Zuflucht vor der Welt, die sich so plötzlich verändert hatte; die feindlich geworden war. - Wäre Teris Auftrag nicht gewesen, und wäre es Hund besser gegangen, man hätte sich überlegen können, für immer hierzubleiben; geborgen in der Nische im Fels, die für sie beide mehr als ein Versteck war. - Es war der Ort geworden, den so viele suchen und den so wenige zu finden vermögen - der Ort ihrer Liebe!
Teri und Fakun schliefen oft miteinander in dieser Zeit, und manchmal, wenn es nicht zu sehr
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