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Sturm ueber Thedra

Sturm ueber Thedra

Titel: Sturm ueber Thedra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Stuhr
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stürmte, gingen sie zusammen durch den Schnee zum Steilabsturz und schauten ein wenig auf das Meer hinaus. Sie erzählten sich alles voneinander, wenn sie zusammen in der Nische unter den Decken lagen und die schwache Glut des Feuers ihre Gesichter rötlich beleuchtete. Hund hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, jede Nacht am Fußende des Lagers unter die Decken zu kriechen, und sie ließen ihn gewähren.
    Teri war es ab und zu am Morgen schlecht geworden, und Fakuns Verdacht wurde langsam zur Gewißheit. Als er bemerkte, dass Teri immer nervös wurde, wenn sie zusammensein wollten, sich vorher prüfend selbst berührte und ihre Schartasche an das Kopfende des Lagers legte. Schließlich fragte er sie direkt: "Du wartest auf deine Zeit, nicht wahr?"
    "Hmhm!", bestätigte Teri. Es war ihr nicht direkt unangenehm, dass Fakun sie so etwas fragte, aber sie mochte auch nicht zu ausführlich darüber sprechen.
    "Wann wäre deine Zeit gewesen?" Fakun ließ nicht locker.
    "Vor drei oder vier Tagen."
    "Möglich, dass sie nicht kommt. Ich hab so etwas schon mal erlebt."
    Teri spürte, wie sich eine Spannung in ihr aufbaute. Sie sah Fakun stirnrunzelnd an. Meinte er vielleicht ...
    "Möglich, dass wir nicht mehr lange zu zweit sind", fuhr Fakun fort. "Bei meiner Frau in Kaji ..."
    "Ach, du hast eine Frau in Kaji? - Dann brauchst du mich ja nicht mehr!" Teri drehte ihm den Rücken zu. Vom ersten Moment an wußte Teri genau, dass ihre Reaktion albern war. Fakun war schließlich schon verheiratet gewesen, als Teri noch ihre Kinderkleider getragen hatte. - Aber das interessierte sie im Moment nicht. Es war ihr ganz einfach unerträglich, daran denken zu müssen, dass Fakun jemals mit einer anderen das gemacht hatte, was nur ihnen beiden gehören durfte.
    "Entschuldige." In Fakuns leiser Stimme schwang eine nie gehörte Bitterkeit mit. "Ich hatte nur einen Augenblick lang vergessen, dass ich tot bin! Frau und Kind in meiner Heimat habe ich verloren, und ich werde sie nie wieder sehen. Jetzt werde ich auch noch die Erinnerung daran verlieren - du verlangst wirklich nicht zu viel!"
    Teri kam sich auf einmal ungeheuer selbstsüchtig vor. Woher hatte sie das Recht genommen, so etwas von Fakun zu verlangen? Reichte es denn nicht, wenn er für sie da war, wann immer sie ihn brauchte, ihr, wo immer möglich, half und der beste Freund war, den sie sich wünschen konnte? - Mußte sie denn mit dummem, kindlichem Stolz auch noch den Rest seiner Seele, seine Gedanken und Erinnerungen, fordern? - Langsam drehte Teri sich wieder zu ihm um. "Dass du auch ein Kind hast, habe ich nicht gewußt."
    "Das war es ja, was ich dir habe erzählen wollen." Fakun lag immer noch steif da und sah an die Decke der Nische. "Meine Frau war schwanger, als ich Kaji verließ, und es fing damals genauso wie bei dir an."
    "Du meinst also, dass ich wirklich ..."
    "Dass du ein Kind bekommst, ja!"
    Teri wußte nicht, was sie dazu sagen sollte. Die ganze Situation war total neu für sie. - Der Streit mit Fakun; seine Eröffnung, dass sie wahrscheinlich schwanger sei ... - Vorsichtig tastete Teri unter der Decke nach seiner Hand. Fakun kam ihr entgegen, und sie verschränkten die Finger ineinander. Eine Weile lagen sie so schweigend nebeneinander auf dem Rücken und schauten in die Dunkelheit, bis Teri genug Mut gefaßt hatte: Sanft schmiegte sie sich an Fakuns Körper. "Erzähl mir von deiner Zeit in Kaji", bat sie. "Und erzähl mir auch von deiner Frau!"

    Der folgende Morgen brachte einen strahlend blauen Himmel, und die Sonne begann im Westen ihre flache, kurze Bahn. - Ideale Bedingungen für ihren Aufbruch, meinte Fakun. Teri sah das etwas anders: Sie wußte manches über Schnee und Kälte und machte sich Sorgen um Hunds Pfoten. Bei starker Sonneneinstrahlung würde der Schnee am Tag weich und pappig werden und sich dann, im Laufe der kalten Nacht, mit einer spröden Eisschicht überziehen, die unter jedem Schritt zerbrechen mußte. - In Wanderstiefeln mochte das noch ganz gut gehen, aber nackte Hundepfoten waren bestimmt empfindlicher.
    Schon vor dem Morgengrauen waren Teri und Fakun aufgestanden und hatten sich selbst, sowie ihr Gepäck, vorbereitet. Fakun hatte sich so warm anziehen wollen, wie es überhaupt ging, aber Teri hatte ihm geraten, zumindest seinen Umhang in Reserve zu halten. Sie kannte die Gefahr bei einer winterlichen Wanderung durchzuschwitzen und sich dann plötzlich am Abend mit feuchter Kleidung in klirrender Kälte wiederzufinden. Fakun hatte

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