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Sturm ueber Thedra

Sturm ueber Thedra

Titel: Sturm ueber Thedra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Stuhr
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zwar gemeint, es sei doch schöner, nur abends zu frieren, als den ganzen Tag lang, hatte sich Teris Rat dann aber doch murrend gebeugt.
    In einen kleinen Deckelkorb aus Binsengeflecht, den sie angefertigt hatte, legte Teri die Vorräte, die sie auf der Wanderung verzehren wollten: Sechs gebratene Moorhühnchen, die sie sich in den letzten Tagen vom Munde abgespart hatten und einige Streifen Kolbenwurzelbrot.
    Etwa ein halber Tagesmarsch war es unter normalen Bedingungen bis Moorstadt. Teri schätzte, dass sie jetzt, im Winter, zwei bis drei Tage unterwegs sein würden. Es galt also, keine Zeit zu verlieren und das schöne Wetter auszunutzen, solange es ging. Also machte sich die kleine Gruppe, etwa zehn Sonnenhöhen nach Tagesanbruch, nach einer letzten, kräftigen Mahlzeit in der Nische, auf den Weg nach Moorstadt.
    Voran ging Fakun, der neben seinem Bündel noch Schwert und Bogen tragen mußte. Teri folgte ihm nach, den Binsenkorb mit dem Proviant über dem Unterarm hängend. Als letzter in der Reihe folgte Hund, der rasch eingesehen hatte, dass es unter diesen Bedingungen sinnlos war, vorauslaufen zu wollen. Brav trottete er in der Spur entlang, die Fakun und Teri zogen und schonte so seine Kräfte.
    War die Landschaft schon im Sommer an Eintönigkeit kaum zu überbieten, so wanderten die drei jetzt buchstäblich durch eine Schneewüste, in der nur ganz vereinzelte Landmarken eine Orientierung zuließen.
    Teri wollte als erstes zu dem Felsen mit dem Ahornblatt, der am Weg von Thedra nach Moorstadt stand. Bei diesem Felsbrocken wollte sie links abbiegen und dann versuchen, auf dem Weg zu bleiben. Wenn alles gutging, würden sie Moorstadt spätestens übermorgen erreichen.
    Die Sonne war nun etwas höher über den Horizont gestiegen und es wurde deutlich wärmer. Teri begann, unter ihrer Last zu schwitzen und öffnete die Jacke ihres Scharanzuges. Fakun machte eine kleine Pause und schnürte den wollenen Überwurf, den er auf den Schultern getragen hatte, auf sein Bündel. Dabei sah er nachdenklich aus, so als habe er etwas Wichtiges vergessen. Teri fragte ihn danach, aber er murmelte nur so etwas wie "Ungutes Gefühl", und stapfte weiter voraus.
    Die Sonne stand nun fast am höchsten Punkt über dem Horizont; die Tagteilung war nicht mehr fern. Gleißende Helligkeit wurde milliardenfach von den Schneekristallen ringsum reflektiert und brannte sich förmlich in die Netzhäute ein. Langsam begannen Licht und Schatten zu verschwimmen, und die Kontraste verloren sich in einförmigem Grau.
    Plötzlich blieb Fakun stehen und drehte sich zu Teri um. "Jetzt ist mir eingefallen, worauf ich die ganze Zeit nicht gekommen bin!"
    Teri sah ihn mit zusammengekniffenen Lidern fragend an.
    "Wir müssen unsere Augen abdecken! Letztes Jahr, als ich mit der Herde unterwegs war, habe ich gelernt, dass bei Schnee die Augen nicht ungeschützt sein dürfen. - Wie konnte ich das nur vergessen?" Rasch nahm er sein Halstuch ab und zeigte Teri, wie es so um den Kopf zu schlingen war, dass nur noch ein schmaler Sehschlitz blieb.
    Hund nutzte die kleine Verzögerung, um sich in der Furche niederzulegen und sich ein wenig auszuruhen. Er schien keine Probleme mit der Helligkeit zu haben.
    Nach kurzer Zeit arbeitete die Gruppe sich wieder durch den Schnee voran. Direkt voraus hatte Teri einen Felsen ausgemacht, dessen Form in etwa der des gesuchten Ahornblattfelsens entsprach. Nach viel längerer Zeit, als Teri gedacht hatte, gelangten sie zu dem Steinblock, der sich tatsächlich als der Richtige erwies.
    Nun erst sah Teri, wie hoch der Schnee wirklich lag. Das Ahornblatt im Fels, das sie nur auf Zehenspitzen stehend hatte erreichen können, war jetzt in Kniehöhe zu erkennen. Spielerisch strich sie mit dem Finger darüber - und erstarrte in der Bewegung.
    Nichts mehr war zu spüren vom friedlichen Lied des Steins. Auch die Unrast des alten Mannes war kaum noch wahrnehmbar. Alles war überdeckt von einer dermaßen bösartigen Ausstrahlung, dass Teri ihre Hand zurückriss, als habe sie sich verbrannt.
    Er war hiergewesen! Er hatte den Stein berührt! Er hatte sie verfolgt bis hierher, und er war sicher gewesen, sie aufzuspüren! Er! - Der Dramile mit der Ausstrahlung eines Leoparden! - Der sich in Thedra für sie interessiert hatte! - Der sie mit kaltem Haß verfolgte und der sie töten wollte!
    Plötzlich wußte Teri alles! Wer sie verfolgte; wer den Bogenschützen umgebracht hatte; und alles andere von Szin eb Szin. Nicht seine konkreten

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