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Sturm ueber Thedra

Sturm ueber Thedra

Titel: Sturm ueber Thedra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Stuhr
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Griff wie eine Manschette umschlossen.
    Mit schnellen Schritten ging Teri zu der Wand hinüber und holte sich ihre Waffe zurück. Achtlos streifte sie Torfkrümel und die Reste des Binsengeflechts von der Bronzeklinge und steckte den Dolch dann wieder sorgfältig ein.
    "Ihr habt Friedfertigkeit bewiesen und Standhaftigkeit", fing der Anführer an zu sprechen. "Ich habe eure Geduld auf eine Probe gestellt, und ihr habt bestanden! Seid mir willkommen in unserer Stadt! - Ich verstehe, dass dieser Mann ..." Er zeigte auf den Sumpfschädel, wie Teri ihn immer noch bei sich nannte, "...euch Freunde nennt." Dann beugte er sich ein wenig vornüber und brüllte Teri in vertraulichem Tonfall ins Ohr: "Aber wie habt ihr es bloß geschafft, den schlimmsten Geizhals des Ortes, der sich noch nicht mal eine Frau nimmt - weil er sie füttern müßte - zu bekehren? Das müßt ihr mir eines Tages verraten!" Damit standen er und sein Begleiter auf und verließen die Hütte.
    Teri und Fakun blieben allein mit dem `Sumpfschädel' zurück, der die letzte Bemerkung des Anführers sehr wohl gehört hatte und nun verlegen grinsend am Tisch stand, auf dem immer noch Fakuns Waffen lagen. "Wenn ihr wollt, könnt ihr den Winter hier verbringen!", bot er dem total verdutzten Paar an. "Ich heiße Rolo, wie heißt ihr?"

    Es stellte sich heraus, dass alles ein Mißverständnis gewesen war. Rolo hatte den Schlaf der jungen Leute treulich bewacht. Als er sicher gewesen war, dass es ihnen gut ging, war er zum Haus des Fürsten aufgebrochen, um ihm von seinen Gästen zu erzählen und ihn zu bitten, sie aufnehmen zu dürfen. Das war aber eigentlich unnötig gewesen, da der Fürst schon auf dem Weg zu Rolos Haus gewesen war. Er hatte bereits von den Neulingen gewußt.
    Das Essen hatte Rolo in der Nacht `selbst verputzt', wie er sagte, weil er `doch solchen Hunger hatte'. Sofort machte er sich daran, für seine Gäste eine Trockenfischsuppe zu kochen, `aus Seefisch', wie er betonte. - Überhaupt hatte sich Rolo total verändert. Kaum noch etwas erinnerte an den raffgierigen Fiesling, den Teri am Abend zuvor um Hilfe gebeten hatte.
    Plötzlich fiel es Teri auf, dass der Fürst sich überhaupt nicht nach der Lage in Thedra erkundigt hatte. - Dabei war sie sich ganz sicher, den Fall der Stadt erwähnt zu haben. Sie sprach Rolo darauf an.
    "Oh, Thedra fiel vor einem Monat", antwortete Rolo. "Wir wissen das! Fokom hat es gesehen. - Wir haben gelacht, weil die Steuereintreiber jetzt nichts mehr zu sagen haben!" Rolo lachte zur Demonstration laut los, hörte aber schnell wieder auf.
    "Wer ist Fokom? Wie ist er durch den Schnee gekommen, und was hat er berichtet?" Jetzt war es Teri, die begierig war, Neues aus Thedra zu hören.
    "Oh, Fokom kommt nicht durch den Schnee. - Fokom sieht! Er hat euch auch gesehen. `Tapfere Kaninchen' hat er gesagt!"
    "Wer ist Fokom?" - Das mit den tapferen Kaninchen wollte Teri ja wohl überhört haben.
    "Oh, aber ihr kennt ihn doch! Das war doch der andere Mann. Er ist der Berater. Und ein Beschützer ist er für den Fürsten. - Ein mächtiger Beschützer! Er kann die Zeichen der Lähmung machen. - Ganz schnell!"
    Teri hatte ihre Zweifel, ob die `Zeichen der Lähmung' - was immer das sein mochte - auch bei Leuten funktionierten, die schnell waren, aber sie war sehr froh, es nicht ausprobiert haben zu müssen.
    Es stellte sich heraus, dass Rolo nicht mehr Neues aus Thedra zu berichten wußte, als er schon erzählt hatte. Dass die Stadt gefallen war, hatte der Fürst vor einem Monat offiziell bekanntgeben lassen, und das mit den tapferen Kaninchen hatte Rolo eben gerade auf dem Weg durch den Schnee aufgeschnappt. - Soviel konnte Teri erfahren. Dann war die Fischsuppe fertig, und das Tischgespräch erstarb im wohligen Schmatzen und Stöhnen Rolos, der die erste Mahlzeit im Kreis seiner Freunde sichtlich genoß.

    So verlief der Winter für Teri und Fakun in ruhiger Abgeschiedenheit. Das `Geh nach Osten!', das die Schrift in der Nische Teri aufgetragen hatte, war im Moment nicht durchführbar, also brauchte sie sich auch keine Gedanken darüber zu machen und vertiefte lieber ihre Kenntnisse des Kaji-Idioms.
    Rolo hatte sich zu einem ganz passablen Gastgeber entwickelt, der, von gelegentlichen Geizanfällen abgesehen, rührend um seine Gäste bemüht war. Einzig, dass sie aus Rücksichtnahme gezwungen waren, ihre Zärtlichkeiten leise und heimlich unter der Bettdecke auszutauschen, störte Teri und Fakun; aber Rolo war ein feinfühliger

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