Sturm ueber Thedra
Mensch geworden, und wenn er bei diesen Gelegenheiten einmal nicht geschlafen haben sollte, dann tat er doch wenigstens so.
Die Tage verbrachten die drei zum größten Teil in der Hütte bei Sprachübungen und Flechtarbeiten. Rolo hatte im Sommer große Mengen Binsen geschnitten, die nun zu Körben verarbeitet wurden. Das war nun eine schöne Gelegenheit für Teri und Fakun, sich bei ihrem Gastgeber tatkräftig zu bedanken. Langsam empfanden sie eine aufrichtige Zuneigung zu diesem ungeschlachten Moormann, der sich so sehr bemühte, ein guter Gastgeber zu sein.
Längst schon war sein Verhalten nicht mehr unmittelbar von dem Lied beeinflußt, das Teri gesungen hatte, aber es hatte etwas ausgelöst: Es hatte die bessere Seite seines Ich zum Vorschein gebracht, als sei eine neue Seite in einem Buch aufgeschlagen worden. - Zwar war er ein Mann mit Ecken und Kanten, und nicht immer hatte er gute Laune; aber umso höher waren seine Anstrengungen zu bewerten, nett zu sein und zu bleiben, denn nun kam der gute Wille aus ihm selbst und war nicht durch den Augenblickszauber des Liedes ausgelöst.
Als die Tage wieder länger wurden und das erste Grün durch die abtauende Schneedecke brach, ging eine Veränderung mit Teri vor. Sie hatte nun schon seit Monaten ihre Zeit nicht mehr gehabt, und ihr Bauch wölbte sich ein wenig vor. - Ganz ohne Zweifel - Teri war schwanger! Sie wurde immer nervöser, obwohl sie sich einerseits auf das Kind freute. Andererseits durfte sie aber ihre Mission, deretwegen sie unterwegs war, keinesfalls vernachlässigen" `Geh nach Osten!', hatte in der Nische gestanden. Sie hatte den Auftrag nicht vergessen. - Aber die Zeit drängte, denn in weniger als einem halben Jahr würde sie schon Mutter sein.
Ungeduldig ging Teri jeden Tag vor die Hütte und schaute weit über das Moor hinweg, in Richtung Sonnenaufgang. Ringsum begann der Schnee zu einer schweren, pappigen Masse zusammenzuschmelzen. Der Flußlauf unter der Brücke schwoll zu einem gewaltigen Strom an, der sich tosend über die hohen Klippen ins Meer ergoß, und erste Flecken grünlich-braunen Moorlands wurden sichtbar. Als schließlich die Südhänge abgetaut waren, sah Teri vereinzelt Schafe und Ziegen auf der Weide. - Es wurde Zeit, die Wanderung vorzubereiten.
Noch war das Sumpfland hoch überschwemmt, aber in wenigen Tagen würden Teri und Fakun Moorstadt verlassen. Rolo hatte sich als Führer durch den Sumpf angeboten, der Weg nach Osten war ihm gut vertraut. Teri sah ihre Sachen durch und bat Rolo dann, ihnen für zehn Bronzestücke Proviant zu überlassen. Rolo hatte gerade seinen guten Tag und packte zwei mittelgroße Binsenkörbe voll mit getrocknetem Schafsfleisch, Seefisch, Getreide und Trockengemüse.
Am letzten Tag ihres Aufenthalts in Moorstadt gingen Teri und Fakun mit Rolo zum Fürsten, um sich für die freundliche Aufnahme in die Stadtgemeinschaft zu bedanken. Der Fürst empfing sie in seinem Haus, das nur wenig größer war, als in Moorstadt allgemein üblich. Auch die Inneneinrichtung unterschied sich kaum von der in Rolos Hütte. Einzig die vielen Bänke wiesen darauf hin, dass hier ab und an Versammlungen abgehalten wurden.
Der Fürst saß allein an einem großen Holztisch und lud seine Gäste mit einer Handbewegung ein, ihm gegenüber Platz zu nehmen. "Nun, Teri, Scharfrau von Thedra, willst du jetzt weiterziehen, deinem Auftrag zu genügen?"
"Wir brechen morgen auf."
"Fokom läßt dir sagen, dass du im Osten eine Stadt finden wirst, die Wettergrube heißt. Dort wartet ein Helfer auf dich, auf den du hören mußt.
"Was ist mit Thedra?"
"Thedra ist gefallen, aber der Feind ist schwach. Er hat sich in der eigenen Falle gefangen. Die Fliegenden Schiffe warten vor dem Hafen und lassen die Beuteschiffe nicht heraus. - Der Eroberer ist arm und reich zugleich!"
"Würdet ihr helfen, Thedra zu befreien?"
"Wenn du die Schlafende Armee erweckt hast, werden wir uns vor Thedra treffen!"
"Gibt es die Schlafende Armee und wo finde ich sie? Weiß Fokom etwas darüber?" Das waren die Fragen, die Teri mehr als alles andere beschäftigten.
"Du mußt auf den Helfer hören. - Vorerst!" Der Fürst erhob sich. Die Audienz war beendet. Teri und Fakun bedankten sich noch artig und gingen dann mit Rolo zu dessen Haus zurück. Nach einem guten Abendessen legten sich alle schlafen, um am nächsten Morgen früh aufbrechen zu können. Auch Hund schlief tief und fest. - Er würde sehr viel Kraft brauchen auf dem Marsch, denn Rolo hatte seine
Weitere Kostenlose Bücher