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Sturm ueber Thedra

Sturm ueber Thedra

Titel: Sturm ueber Thedra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Stuhr
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die Kapuze seines Mantels weit über den Kopf zu ziehen, ohne verdächtig zu wirken.
    Der Mann sah sich genau um. Das Leben in der Stadt schien seinen normalen Gang zu gehen, so weit das unter diesen Bedingungen möglich war. Zwar herrschte allenthalben Mangel, da die Besatzer das Beste von allem für sich beanspruchten, aber mittlerweile war es schon so weit gekommen, dass selbst die Dramilen Mangel litten. War es in den ersten Tagen noch leicht gewesen, kleine Gruppen von Soldaten in das Hinterland zu schicken, um Waren zu requirieren, so hatte sich diese Quelle bald erschöpft. Die Nachricht vom Fall Thedras hatte sich schnell im Hinterland verbreitet, und jeder Hirte, dem sein Vermögen lieb war, hatte seine Tiere tief in die endlosen Wiesen des Hochlandes hineingetrieben. Die wenigen Bauern in der Nähe der Hauptstadt hatten sogar ihr Saatgut an die Besatzer abtreten müssen, so dass im neuen Jahr noch nicht einmal mit einer Ernte gerechnet werden konnte.
    So waren denn die Menschen aus Estador dazu übergegangen, mit den Besatzern Handel zu treiben. Abgesandte aus allen Teilen des Landes tauchten auf und boten den Dramilen zu Wucherpreisen Fleisch und Getreide an - gegen Vorkasse, versteht sich! Mit ohnmächtiger Wut mußte Sed eb Rea feststellen, dass der Erhalt Thedras vollständig von der Profitgier der Estadorianer abhing. Gern hätte er eine Abteilung seiner Leute in das Hinterland geschickt, um dort die notwendigen Waren mit Gewalt zu beschaffen, aber er mußte einsehen, dass er von seinen knapp fünfhundert Mann nicht einen einzigen entbehren konnte. - Selbst der Forderung Szin eb Szins nach einer Eskorte, um diese Hüterin zu suchen, war er nur zögernd nachgekommen, woraufhin Szin sich im Frühjahr mit nur zwei Begleitern auf den Weg gemacht hatte.
    Befriedigt hatte der Mann in Grau schon bei früheren Besuchen in der Stadt feststellen können, dass Teri und ihr Auftrag nicht vergessen worden waren. Immer wieder kursierten Gerüchte über einen baldigen Befreiungsschlag in der Stadt. Von großen Sammlungsbewegungen am Fuß der Hohen Weite war die Rede und von einem Berg hinter Moorstadt, in dem Unmengen von Waffen lagerten. Man sprach auch von einem geheimen Hafen an der Nordküste und von stählernen Schiffen, die bald in den Hafen der Hauptstadt hineinbrechen würden. Die Besatzungen dieser Schiffe sollten Rüstungen aus Stahl tragen und unverwundbar sein.
    Diese und andere Gerüchte waren natürlich nicht dazu angetan, die Dramilen zu beruhigen. Thedra hatte ihnen schon so manche böse Überraschung bereitet. Sie saßen hier fest, und mancher von ihnen mochte sich vorkommen wie ein gebundenes Lamm, das auf den Schlächter wartet.
    Dann gab es da noch Llauk, den Gouverneur.
    Der Mann in Grau hatte vor dem Fall der Stadt noch nie etwas von diesem Llauk gehört. Nach allem, was er erfahren hatte, war Llauk der eigentlich Verantwortliche für den Fall Thedras. Wenige Tage nach der Amtseinführung hatte ein Gerücht kursiert, dass er es gewesen sei, der den Dramilen das Hafentor geöffnet hatte. Llauk war nach Meinung des Mannes in Grau in keiner beneidenswerten Lage. Die Thedraner haßten ihn wegen seines Verrats mit der gleichen Inbrunst wie die Dramilen, die nur jemanden suchten, den sie für ihre missliche Lage verantwortlich machen konnten, denn Sed eb Rea war seit dem Fiasko am Schwalbenhafen kaum noch öffentlich in Erscheinung getreten und ließ alle unpopulären Entscheidungen und Bekanntmachungen von seinem Gouverneur verkünden.
    Der Mann in Grau sah sich gründlich in der Stadt um und konnte keinerlei bedeutsame Veränderungen feststellen. Mit gemischten Gefühlen machte er sich auf den Rückweg zu der Zisterne. Zwar wußte er mehr über die Situation, als jeder andere in der Stadt, aber auch er hatte keine Gewißheit, wohin das alles führen sollte. Die einzige Hoffnung auf eine schnelle Lösung war und blieb die Schlafende Armee. Aber wenn der Mann ganz ehrlich mit sich war, mußte er zugeben, dass auch er alles andere als überzeugt von der Existenz dieser Macht war. Sicherlich! Teri, die Hüterin, war auf dem Weg und hatte die ersten beiden Nischen erreicht, das wußte der Mann, weil vor kurzem der zweite der sieben kleineren Kristalle in der Kiste zersprungen war. Zwar war sie tapfer, sonst hatte sie die Prüfungen im Streitwald und in der Trughöhle niemals bestanden aber was würde diese junge Frau schon erreichen können? Ob sie seinen Ansprüchen an sie wirklich gerecht werden

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