Sturm ueber Thedra
schaden.
Nun war das Gemisch fertig, und Teri erhielt, nachdem sie wieder erwacht war, täglich mehrere Löffel davon. Es war erstaunlich, wie gut das Mittel anschlug. Teri war wach, hatte keine Krämpfe mehr, und das Herz schlug ganz normal. Man konnte sich mit ihr unterhalten, sie entwickelte einen unglaublichen Appetit, und auch sonst reagierte sie in allen Dingen ganz normal. Ena war stolz auf sich, und Fakun war Ena zutiefst dankbar. - Was für ein ungeheurerer Glücksfall war es doch gewesen, dass der Zusammenbruch Teri gerade hier ereilt hatte! Am Abend des dritten Tages, als feststand, das Teri genesen und das Kind wahrscheinlich behalten würde, tat Fakun etwas, was er schon lange nicht mehr getan hatte: Er nahm seine Hirtendecke, ging auf den Hof des Hauses, prüfte den Stand der Sonne und legte seine Decke korrekt nach Vorschrift aus. Dann kniete er darauf nieder und dankte still den Göttern seiner Heimat, dass sie ihn und Teri an diesen Ort und zu dieser Frau geführt hatten.
Trotzdem stimmte mit Ena etwas nicht. Fakun hätte es nicht mit Worten benennen können, aber Ena war anders als die meisten Frauen. Fakun war ein gutaussehender junger Mann und zudem mit einem natürlichen Charme gesegnet, der ihn fast überall beliebt machte. Frauen, egal welchen Alters oder Standes, wurden schnell auf ihn aufmerksam, und weil er ihnen gefiel, wollten auch sie ihm gefallen. - Bei Ena war davon nichts zu spüren. Fakuns erster Eindruck verstärkte sich mit der Zeit immer mehr. Sie hatte sich ihm gegenüber vom ersten Moment an wie eine große Schwester gegeben.
Nicht, dass diese Tatsache Fakun gestört hätte - Er hatte Ena wirklich gern und wußte genau, dass auch sie ihn schätzte, aber eines Tages, als Teri gerade schlief, während er Ena bei einigen Zubereitungen half, fragte er sie doch, warum sie sich noch keinen Partner gesucht habe.
"Ich habe nicht so viel für Männer übrig, weißt du?" Ena ließ ihr Werkzeug sinken und sah Fakun gerade in die Augen, um seine Reaktion nicht zu versäumen.
"Hm! - Also mehr für Frauen, ja?" Fakun stand Ena an Offenheit nicht nach. "Dann wärest du bei uns bestimmt eine Priesterin. Bei uns können nämlich alle Frauen Priesterinnen werden, die sich den Männern verweigern."
"Wo ist das - `bei uns'?"
"Kaji! - Es gibt viele Priesterinnen dort. Sie beten und heilen, und sie wissen auch ein wenig von der Zukunft."
"Sie werden geachtet, ja?" Ena beugte sich ein wenig vor.
"Natürlich!", bestätigte Fakun. "Wirst du denn nicht geachtet?", fragte er dann erstaunt. Ihm war der sehnsüchtige Klang in Enas Stimme aufgefallen.
"Dort muß es schön sein! Was für ein Land!", seufzte Ena statt einer Antwort, stand auf und sah nach Teri. In etwa zehn Tagen würde es so weit sein, dass sie die Betäubung von ihr nehmen könnte, schätzte sie. Schon die ganze Zeit hatte sie überlegt, wer noch als Hilfe bei der Geburt in Frage käme, aber es wollte ihr niemand einfallen. Die Frauen aus der Nachbarschaft, die auf dem Markt so freudig bei ihr kauften, mieden sie allesamt. Keine von ihnen würde Enas Haus freiwillig betreten. Auch der Heiler von Tregh kam nicht in Frage. Erstens war er nach Enas Meinung ein alter Pfuscher, der das Geld mehr als die Menschen liebte, und zweitens hatte sie ihm auch schon verschiedentlich die Meinung gesagt. - Gut möglich, dass er seine Abneigung gegen Ena auch auf deren Patientin übertrug, auf jeden Fall war das Risiko zu groß. - Ena würde also versuchen, Teri allein mit Fakuns Hilfe gut durch den Akt der Geburt zu geleiten. Sie sah sinnend nach draußen. Die ersten Herbstblätter bildeten auf der Lichtung vor dem Haus schon eine dünne Schicht. Bald schon würde ein dicker, raschelnder Teppich das Gras bedecken, und Ena würde den ganzen Winter lang Gäste haben. - Nun, ihr war es recht!
Einige Tage später fing Ena an, Teris Tagesdosis an Baldrian, Lavendel und Seerosenwurzel herabzusetzen. Gleichzeitig verabreichte sie ihr aber immer noch ausreichend von dem Wolfstrapp, denn sie wollte das Risiko nicht eingehen, dass Teri ausgerechnet während der Geburt wieder ihr seltsames Herzrasen bekam. Ansonsten ging Ena ihrer gewohnten Arbeit nach, bei der sie sich gern von Fakun helfen ließ. Am Markttag verließ sie vor Sonnenaufgang das Haus und war schon vor dem Abend wieder zurück. Fakun hatte derweil Wache gehalten, aber es war nichts Besonderes mit Teri passiert.
Als die Wehen schließlich ein paar Tage später einsetzten, war Fakun bei Teri,
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