Sturm ueber Thedra
herum und versuchte, die Ausgangstür zu öffnen. Erst beim dritten Versuch gab das runde Tor nach, und Teri stolperte in die Grotte. Hastig warf sie das Tor ins Schloß, stürzte ins Freie und ließ sich den steinigen Abhang vor der Grotte hinabrutschen. Sie hatte den Winkel des Gefälles unterschätzt. Aus dem Hinabgleiten wurde schnell ein kaum noch kontrollierbarer Sturz. Teri riß auf ihrem Weg nach unten Steine los, die sie polternd überholten. Ein faustgroßer Brocken traf sie an der Schulter. Teri ließ das Bündel los, das, sich auflösend, hinter ihr zurückblieb und kam schließlich, sich mehr überschlagend als rutschend, im steinigen Tal an.
Einen Augenblick lang blieb Teri bewegungslos auf dem Rücken liegen und starrte in den dunklen Himmel über sich. Sie verfluchte sich für ihren übereilten Sprung. Gerade hatte sie begonnen, ihre zerschundenen Glieder zaghaft zu bewegen, als der Fels unter ihr zu beben begann. Im gleichen Moment schoß an der Stelle, wo der Eingang zur Festung sein mußte, ein Feuerstrahl über die Schlucht, der von einem donnernden Brausen begleitet wurde.
Immer stärker bebte der Berg. Einzelne Felsen lösten sich vom Hang und rollten zu Tal. Teri sprang auf und versuchte, sich in Sicherheit zu bringen. Immer noch drang der Feuerstrahl an der Stelle aus dem Berg, an der Teri eben noch gewesen war; und dann geschah etwas, womit Teri nicht gerechnet hatte: Mit einem ungeheuren Krachen hob sich die Felsplatte des Tafelberges gut zwei Mannslängen hoch, brach in der Mitte auseinander, gab einen gewaltigen Schwall berghoher Flammen frei und fiel wieder auf die Bergfestung hinab, die Jahrtausende in ihrem Schutz gelegen hatte.
Teri verlor den Boden unter den Füßen, so stark bäumte sich die Erde unter ihr auf. Ein Steinregen ging nieder, und der Hang über ihr kam ins Rutschen. Teri sprang auf und lief um ihr Leben. Als sie keuchend auf dem gegenüberliegenden Abhang anhielt, war der Berg, in dem die Festung gewesen war, nicht mehr wiederzuerkennen. An vielen Stellen geborsten, den Gipfel noch immer von feuriger Lohe umhüllt, stand er da wie ein steingewordenes Mahnmal menschlicher Tücke. Ein Großteil der Steinhänge war zu Tal gerutscht, und noch immer lösten sich flächige Brocken porösen Tuffgesteins und donnerten, über Felsen schabend, polternd hinab.
Teri setzte sich auf einen Felsblock und wartete ab, bis der Berg sich beruhigt hatte. Die Morgensonne begann, den östlichen Horizont zu erhellen. Kurz dachte Teri an Aganez. Der alte Mann hatte ein Ende gefunden, das eines Magiers würdig gewesen war, denn schließlich war mit ihm ein ganzer Berg gestorben. Hier würde er nun für alle Zeiten in seinem ausgeglühten Mahnmal liegen, das zu schaffen er mit seiner Suche selbst beigetragen hatte.
Außer ein paar Hautabschürfungen und Prellungen hatte Teri keine Verletzungen an sich feststellen können. Als nach geraumer Zeit die Erdbewegungen endlich aufgehört hatten, stand sie auf und stieg mit äußerster Vorsicht in das neu entstandene Geröllfeld hinein, um die Sachen aus ihrem Bündel zu bergen. Die Ausbeute war dürftig genug: Außer ihrer kupfernen Wasserflasche fand sie nur noch das Drillholz, der Zunderschwamm dazu fehlte allerdings. Alles andere: Decken, Vorräte und was sie sonst noch besessen hatte, blieb verschwunden.
Die Sonne hatte schon die Felsen erwärmt, als Teri es aufgab. Ihre Habe war unter den Gesteinsmassen verschwunden, und sie würde nie mehr etwas davon wiedersehen. Mutlos kletterte sie die Halde hinab, um sich auf den Weg zur Bergstadt Stein zu machen, aber sie gab sich nicht der Illusion hin, sie je erreichen zu können. Ihr Wandererwissen sagte ihr, dass sie den Marsch durch das Hochgebirge ohne Nahrung und Kälteschutz kaum überstehen würde. Erst einmal ausgehungert und entkräftet, würde die Kälte der Nacht ein leichtes Spiel mit ihr haben.
Plötzlich stockte Teris Schritt. Direkt vor ihrem Fuß lugte etwas aus dem Boden, das nicht zu der steinigen Struktur ringsum passte. Sie bückte sich und strich mit der Hand darüber. Dann stieß sie einen kleinen Freudenschrei aus und zog an dem haarigen Etwas, das sie entdeckt hatte.
Wenig später ging Teri, Askas Felldecke fest unter den Arm geklemmt, in Richtung Stein. Jetzt sah die Welt schon wieder besser aus. - Wenn sie auch hungern mußte, vor Kälte konnte sie sich nun wenigstens wieder schützen!
KAPITEL 6 - IM NAMEN DER STADT
Die Stimme des Volkes ist nicht immer die Stimme der
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