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Sturm ueber Thedra

Sturm ueber Thedra

Titel: Sturm ueber Thedra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Stuhr
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Sklaven. Und genau das war auch die Art von Tod, die Lkeide fürchtete. Wenn schon ausbrechen, dann bald! - Jeder Tag Aufschub kostete nur unnötig Energie und schwächte den Widerstandsgeist.
    Teri drehte langsam den Kopf und brachte ihre Lippen nah an Lkeides Ohr. "Morgen!", wisperte sie. "Morgen brechen wir aus! Im Bachbett, dort wo wir uns gewaschen haben, liegt ein zerbrochener Kiesel. Die Kanten der beiden Hälften sind sehr lang und scharf. Damit kann man Bronze zerschneiden, das weiß ich genau! Morgen ..."
    "Was ist da los?", kam eine nörgelnde Stimme aus dem Dunkel. "Was macht ihr da?"
    Lkeides Kopf ruckte hoch. "Stör uns nicht! Wir schmusen!", kläffte sie über die Schulter hinweg in die Dunkelheit und tatsächlich blieb nun alles ruhig.
    "Morgen", fuhr Teri nach einer Weile fort. "nimmt jeder von uns eine Hälfte des Kiesels mit hierher. Wenn wir leise sind, können wir unsere Fußketten bis zur Mondgleiche durchtrennen. Du mußt zwei Schnitte machen, nah an den Gelenken, so, dass sich die Kette ganz abnehmen läßt!"
    "Und dann?" Lkeides Stimme war nicht mehr als ein Hauch.
    "Aus dem Lager schleichen, oder kämpfen!", erklärte Teri ebenso leise. "Wenn ich erst einmal gegangen bin, kehre ich nicht mehr hierher zurück!"
    "Morgen nacht also", stellte Lkeide leise fest. "Nach der Ewigkeit des Tages!"
    "Ja!", bestätigte Teri. "Eine Ewigkeit noch!" - und sie dachte daran, dass es fast einige Ewigkeiten zu viel geworden wären.

KAPITEL 8 - FREUNDINNEN

    Erst der Glaube an die Unabänderlichkeit macht das Unabänderliche unabänderlich.

    Der letzte Tag, den Teri im Gerberlager verbrachte, verlief in einer Art stiller Anspannung, denn es ist schwer, vollständig unbeteiligt zu bleiben, wenn man nicht weiß, ob man den nächsten Morgen noch erlebt. Teri hatte sich vorgenommen, sich keinesfalls zu ergeben, wenn sie auf ihrer Flucht gestellt würde, und Lkeide stand ihr in dieser Beziehung um nichts nach.
    Es zeigte sich, dass Lkeide es besser verstand, ihre Aufregung zu verbergen als Teri. Frohgemut angelte sie die faulig - schleimigen Felle aus der stinkenden Brühe im Trog und arbeitete daran, dass es selbst für die verbiesterten Vorarbeiterinnen die reine Freude war.
    Teri dagegen war heute besonders übellaunig und machte einen Fehler nach dem anderen: Viel zu oft sprang sie mit dem Holzschaber in der Hand vom Balken herunter und schliff das aufgequollene Werkzeug auf dem Felsboden nach. Sie stritt sich ununterbrochen mit den Vorarbeiterinnen, und in der Aufregung machte sie sogar mit dem Schaber einen Riss in ein Stück Ziegenfell. Es war wie ein Wunder, dass nicht die Wachen kamen und sie ihrem Hauptmann zur Bestrafung vorführten.
    Als endlich der Abend kam und die Frauen zum Bach gehen durften, war Teri heilfroh, diesen letzten Arbeitstag heil überstanden zu haben. Seit sie Lkeide kannte, war Teri einiges klarer geworden:
    Lkeide war eine Diebin. Sie prahlte zwar nicht direkt damit, aber sie machte auch kein Geheimnis daraus. Sie und ihr Mann hatten einen kleinen Bauernhof bei Melling und sie hätte in Ruhe dort leben können, wenn sie etwas bescheidener gewesen wäre.
    Lkeide liebte das Schöne! Da sie aber kein Geld hatte, um sich etwas Schönes zu kaufen, ging sie stehlen. "Hätte ich tausend Bronzestücke, ich wäre eine Zeitlang der ehrlichste Mensch der Welt!", hatte sie Teri im Scherz erklärt. - Wenn also jemand Grund hatte, seine Strafe zu akzeptieren, dann Lkeide! Die dachte allerdings nicht im Traum daran, sich ihr Recht auf Freiheit beschneiden zu lassen - selbst wenn hundert Richter sie schuldig sprächen und alle Götter sich gegen sie stellten! "Ich will nun mal nicht gefangen sein", hatte sie zu Teri gesagt. "Darum werde ich von hier fortgehen!"
    Da war Teri aufgegangen, dass sie sich ihr Gefängnis zum Teil selbst gebaut hatte. Seit Tagen wußte sie von dem zerbrochenen Kiesel im Bach, dessen Kanten so scharf waren, dass sie die Kette, die sie behinderte, in jeder beliebigen Nacht hätte durchtrennen können. Es wäre so einfach gewesen, von hier fortzugehen, aber Teri hatte sich als Opfer der Götter gefühlt und war geblieben. - Da hatte erst Lkeide kommen müssen, um sie wachzurütteln, sie merken zu lassen, dass sie sich selbst schuldig gesprochen und verurteilt hatte - ja, dass sie sich sogar selbst bewachte! Diese Erkenntnis war es, die sie den ganzen Tag lang so böse gemacht hatte.
    Teri war unglaublich wütend auf sich. Sie war aus der Verantwortung geflohen. Sie hatte es

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