Sturm und Drang
Handelsschiff hätten versenken können, dessen Kapitän so tollkühn gewesen wäre auszulaufen. Wir beobachten, wie das angeschlagene Schiff in den Hafen einläuft.
»Ein Handelsschiff«, bemerkt Ozax. »Sieht aus, als könnte es sich kaum noch über Wasser halten.«
Die Hauptmasten des Schiffs sind zersplittert, und es schleicht mit nur einem einzigen, zerfetzten Segel vorwärts. Es liegt sehr tief, und obwohl wir es aus dieser Entfernung nicht genau erkennen können, dürften alle Matrosen aus Leibeskräften versuchen, das Wasser herauszupumpen, damit der Kahn nicht absäuft. Ich sehe, wie Soldaten eilig die Hafenmauern besetzen und sich bereitmachen, nötigenfalls einzugreifen. In Kriegszeiten kann kein Schiff ungebeten in unseren Hafen einlaufen. Der Eingang ist mit Ketten und Zaubersprüchen gesichert, und der Hafenmeister wird keinen Segler hereinlassen, bis er sich vergewissert hat, dass es kein Feind ist.
Während wir zusehen, kriecht das angeschlagene Schiff bis zum Eingang des Hafenbeckens und kommt dort zum Stehen. Sein Bug drückt gegen die schweren Ketten, die den Zugang versperren. Schreie schallen über das Wasser. Vermutlich rufen die Leute von Bord den Verteidigern zu, sie hereinzulassen, bevor sie untergehen, was nicht mehr lange dauern kann. Der Kahn schaukelt gefährlich am Hafeneingang und sinkt noch tiefer ins Wasser. Gerade, als er unterzugehen droht, werden die großen Ketten zurückgezogen. Der wachhabende Zauberer hat die Verteidigungsbanne außer Kraft gesetzt, und das Schiff schleppt sich in den Hafen. Sie haben es geschafft.
Dieser Vorfall ist sehr interessant. Neugierig, wie ich bin, würde ich gern dorthin gehen, wenn ich Tanrose nicht versprochen hätte, sie nach meiner Schicht zu empfangen. Als ich zur Rächenden Axt zurückkehre, begegne ich Makri. Sie trägt ein Männerwams, eine Hose und ihren weichen grünen Schlapphut. Dieses alberne Ding hat sie von der Elfeninsel Avula mitgeschleppt. Im Verein mit ihrem neuen goldenen Nasenring bietet sie einen Anstoß erregenden Anblick. Die versammelte Riege der Tunichtgute in der Rächenden Axt überschlägt sich förmlich mit Komplimenten, wie schön Makri an den richtigen Stellen aus ihrem knappen Ketten-Zweiteiler herausgewachsen ist, aber so wie ich das sehe, liegen sie falsch. Zum einen ist Makri viel zu dürr um die Hüften, und selbst wenn man auf den hageren Typ steht, macht auch ihr hübsches Gesicht ihre ganzen anderen Fehler nicht wett. Sie lackiert sich die Fußnägel golden wie eine simnianische Metze, hat sich ihre Nase piercen lassen wie ein Flüchtling aus einem orkischen Bordell, hat die längste und ungebärdigste Haarmähne in ganz Turai und versteckt darunter zwei spitzige Ohren. Schnürt man dann noch ihren Jähzorn, ihre albernen intellektuellen Allüren und ihre merkwürdige, puritanische Moral dazu, ergibt das ein recht unattraktives Päckchen. Jeder, der Makri zu seiner Partnerin erwählte, würde es bald bedauern.
»Wohin so eilig, Thraxas?«
»Ich brauche ein Bier.«
»Seit die Orks uns überfallen haben, warst du so gut wie nie nüchtern.«
»Wer will denn nüchtern sein, wenn die Orks vor den Toren stehen? Als sie uns das letzte Mal heimgesucht haben, war ich drei Monate betrunken. Und habe dennoch heroisch gefochten.«
Es sind zwar einige Leute unterwegs, aber angesichts der Kälte und des Krieges zeigen sie keine sehr fröhlichen Mienen. Und Makri ist auch nicht gerade ein aufmunternder Anblick. Sie ist ungewöhnlich finster. Selbst als sie einige neue Schwerter sieht, die ein Waffenschmied in seiner Auslage drapiert hat, zaubert das kein Lächeln auf ihr Gesicht. Dabei ist Makri eine wahre Waffenfetischistin.
»Ist dir aufgefallen, dass der Winter gar nicht so schlimm ist?«, erkundigt sie sich.
Sie hat Recht. Es ist zwar kalt, aber das ist nichts im Vergleich zu letztem Jahr.
»Würdest du es nicht auch für warm genug halten, dass die Innungshochschule ihre Pforten öffnen könnte?«
Makri ist von einer merkwürdigen Leidenschaft für Bildung besessen. Ein weiterer Makel.
»Im Winter schließen sie immer. Außerdem, sagtest du nicht, dass sie ihre Kurse für die Dauer des Krieges ausgesetzt haben?«
»Aber sie hätten trotzdem öffnen können. Dann könnten wir unsere Examen vor dem Frühling ablegen. Wir hätten sogar das ganze Semester beenden können, bevor die Orks angreifen.«
»Makri, du dürftest wohl die einzige Seele in Turai sein, die jetzt ans Studieren denkt. Es ist gut möglich,
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