Sturm und Drang
Lisutaris’ Schutz zu verstärken. Ich habe sie hierher begleitet. Sie muss jeden Moment eintreffen.«
Wie aufs Stichwort schwebt Tinitis Schlangenstricker in mein Büro. Sie ist Turais glamouröseste Hexe. In der zivilisierten Welt erlangte sie Ruhm als die Frau, die anstrengende sechs Monate auf einen Zauberspruch verwendete, der ihren Nagellack in tadellosem Zustand konservierte, ganz gleich, wie widrig die Umstände auch sein mögen. Zugegeben, ihre Fingernägel schimmern wirklich immer absolut perfekt. Als sie hereinkommt, ist sie so elegant, mondän und in meinem ganzen Chaos so fehl am Platze, wie nur jemand sein kann. Sie trägt einen goldenen Pelzumhang, der so dick ist, dass ich mich frage, wie sie sich überhaupt darin bewegen kann. Ihr Haar hat die Farbe von goldenen Ähren und fällt so weich, wellig und wippend um ihre Schultern, dass es vermutlich von einem Dauerbann in Form gehalten wird. Diese Frau ist von ihrem Äußeren geradezu besessen. Um Tinitis haben Prinzen, Generäle und Senatoren gebuhlt, sie wurde von deren Frauen und Töchtern beneidet, von Bischöfen angeprangert und hat mehr Spalten in den Skandalpapyri gefüllt als jede andere Person in der Geschichte Turais.
Ungeachtet dessen hält Lisutaris sie für eine mächtige Zauberin, die so spitz wie ein Elfenohr ist, wenn es um Zauberei geht. Allerdings bin ich davon nicht unbedingt überzeugt. Tinitis ist zu jung, als dass sie im letzten Krieg hätte kämpfen können, also weiß niemand, wie sie sich in der Schlacht schlägt. Ich würde nicht allzu viele Gurans darauf setzen, dass sie lange durchhält. Es ist ja schön und gut, mit intelligenten Zaubersprüchen seine Frisur in Ordnung zu halten. Aber wenn sich ein Drache aus dem Himmel auf einen stürzt, mit einem orkischen Hexer auf dem Rücken, der Feuerzauber schleudert, während gleichzeitig eine Rotte orkischer Bogenschützen versucht, einem in die Flanke zu fallen, kommt man mit einer Zauberwelle nicht sehr weit.
Folglich fällt meine Begrüßung etwas lahm aus.
»Zitzerius hat mich gebeten, auf die Gesundheit der werten Lisutaris zu achten«, erklärt sie.
Sie sieht sich kritisch um.
»Er hat mir nicht gesagt, dass hier noch andere Kranke sind.«
»Zurzeit sind überall Kranke.«
»Wer ist das?« Sie deutet auf Sarin und Marihana.
»Eine mörderische Mörderin und eine heimtückische Meuchelmörderin. «
»Wirklich? Wie apart. Wo ist Lisutaris?«
»Im Schlafzimmer.«
»Bring mich zu ihr!«
»Sicher? Bisher ist jeder, der dort hineingegangen ist, krank geworden.«
»Ich hatte das Fieber bereits«, erklärt Tinitis. »Eine furchtbar langweilige Angelegenheit, wenn ich mich recht entsinne.«
Tinitis tippelt in mein Schlafzimmer, gefolgt von Harrius.
Dandelion hat Marihana und Sarin mittlerweile die Heiltränke eingeflößt. Die Meuchelmörderin ist immer noch ziemlich krank. Ihre Stirn ist schweißnass. Sie zuckt zusammen, als sie die Lippen an die Schale setzt. Der Muskelschmerz, den das Fieber mit sich bringt, kann sehr schlimm sein, und sie leidet sichtlich.
»Es wird dir bald besser gehen«, erklärt Dandelion aufmunternd.
»Ich weiß«, flüstert Marihana. Sie schafft es, ein paar Sekunden lang entschlossen auszusehen. Dann schließt sie die Augen und döst weiter. Ich frage mich, was wohl passieren würde, wenn die Situation umgekehrt wäre. Irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass Marihana jemanden pflegen würde. Es liegt nicht in ihrer Natur, sich um andere Menschen zu sorgen. Andererseits, mir liegt das auch nicht sonderlich.
Tinitis kommt aus meinem Schlafzimmer.
»Ich würde sagen, dass diese Rumpelkammer kaum ein geeignetes Krankenzimmer für unsere werte Lisutaris ist«, erklärt sie.
»Ich bin ganz Eurer Meinung«, verkünde ich. »Wenn Ihr sie verlegen wollt, nur zu.«
»Zitzerius hat strengstens untersagt, sie zu verlegen.«
Sie runzelt die Stirn.
»Ich vertraue Zitzerius allerdings nicht besonders. Ohne die Anstrengungen der Zaubererinnung wäre die Stadt längst diesen ungewaschenen Orks in die Klauen gefallen.«
Die Zauberin betrachtet angewidert ihre Hände.
»Ich bin vollkommen staubig. Macht dein Dienstmädchen dort nie sauber?«
»Ich habe kein Dienstmädchen.«
Sie sieht mich an, als wäre ich dement. Die Vorstellung, kein Dienstmädchen zu haben, ist ihr wohl vollkommen fremd. Der Ekel in ihrem Blick verstärkt sich, als sie den Spülstein in der Ecke meines Büros sieht.
»Wo kann sich eine Dame hier wohl die Hände
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