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Sturm und Drang

Sturm und Drang

Titel: Sturm und Drang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Scott
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Predigten hält, hängt ein Bildnis von Sankt Quaxinius und dem Wal. Ich habe es schon häufiger gesehen, auch als ich mit Habenax, dem Bettler, redete und Pontifex Litanex aus der Kirche kam und mich vertrieb. Aber da habe ich nicht richtig darauf geachtet. Erst nachdem ich genügend Wurzeln und Eintopf gegessen hatte, fiel mir das Gemälde wieder ein.
    Auf dem Boden darunter befinden sich ein vergitterter Eingang und eine kleine Messingplatte mit der Aufschrift: Demetrius, erster Präfekt von ZwölfSeen.
    In der Gruft liegen die Knochen uralter Würdenträger unserer Stadt. Sie sind seit Jahrhunderten unberührt, abgesehen wahrscheinlich von dem Moment, als Kapitän Maxius sein Geld hier vergraben hat. Ich spreche erneut meinen Öffnungszauber, und das Gitter schwingt quietschend auf. So weit, so gut. Unter dem Gitter liegt eine Marmorplatte, und ich zögere einen Moment. Ich bin im Begriff, ein Grab zu öffnen. Manche Menschen haben dafür vielleicht wenig Verständnis.
    »Aber es ist gut für die Stadt«, rede ich mir gut zu. »Niemand kann mir deshalb Vorwürfe machen.«
    Ich spreche erneut den Minderzauber der Öffnung. Die Marmorplatte knirscht. Einen Moment fürchte ich, dass der Zauber nicht wirkt. Ich bücke mich und zerre selbst daran, um die Macht des Zaubers mit meiner Körperkraft zu unterstützen. Schließlich bewegt sich die Marmorplatte einen halben Meter. Ich wische mir den Schweiß von der Stirn. Das war anstrengend. Wäre ich nicht in einer so verzweifelten Lage, hätte ich so etwas niemals gemacht. Ich greife in den Sarkophag, und im selben Moment fliegt die Tür des Hauptportals auf. Bischof Gabrielius und Pontifex Litanex betreten die Kirche. Ich habe die beiden Männer noch nie so überrascht gesehen.
    »Was geht da vor?«, brüllt der Bischof.
    »Es ist Thraxas!«, ruft Litanex. »Er raubt ein Grab aus!«
    »Ruft die Zivilgarde!«, brüllt der Bischof. »Dafür wird erhängen!«
    Pontifex Litanex ist entsetzt.
    »Thraxas! Selbst von Euch hätte ich so etwas nicht erwartet!«
    Er dreht sich um und läuft zum Ausgang, um die Zivilgarde zu verständigen.
    »Es ist nur zum Wohl der Stadt …« Ich spare mir die Mühe. Diese beiden Männer werde ich nie im Leben überzeugen können, und außerdem fehlt mir dazu die Zeit. Obwohl ich schon lange nicht mehr zwei Zauber schnell hintereinander gewirkt habe, vermag ich es noch. So gerade eben. Ich spreche die Formel meines Schlafzaubers, und Bischof und Pontifex sinken sanft zu Boden. Dann muss ich mich hinsetzen. Die Zauber zu wirken hat mich vollkommen ausgelaugt. Es wird mindestens eine Woche dauern, bis ich wieder einen Bann sprechen kann. Ich muss mich zwingen aufzustehen, schüttele den Kopf, sinke auf die Knie und greife in den Sarkophag. Das Erste, auf das meine Finger stoßen, ist eine Holzkiste. Es erleichtert mich, dass ich nicht gezwungen bin, in den Knochen herumzuwühlen. Ich ziehe die Kiste aus dem Sarkophag. Sie ist verschlossen, und ein kleines Namensschild aus Metall ist darauf angebracht. Kapitän Maxius.
    Da ist er, der Schatz des Kapitäns. Unter einem Wal begraben, jedenfalls mehr oder weniger. Ich klemme mir die Kiste unter den Arm, schnappe mir meinen Leuchtstab und verlasse hastig die Kirche. Für meinen ersten Versuch in Grabschändung ist es ganz gut gelaufen. Wenn ich Glück habe, kann Vizekonsul Zitzerius dem Bischof die Notlage erklären und damit verhindern, dass ich wegen dieses Verbrechens gehängt werde.
    Vor der Kirche will ich auf mein Pferd steigen, als mich eine Hand an der Schulter packt und zurückreißt. Ich stürze zu Boden und finde mich in Augenhöhe mit zwei blank polierten schwarzen Stiefeln und dem Saum eines Regenbogenumhangs. Beides gehört Georgius.
    »Du bestiehlst die Kirche?«, dröhnt er. »Genau das habe ich von dir erwartet, Thraxas. Her mit der Kiste!«
    Ich versuche aufzustehen. Es fällt mir schwer, weil ich immer noch von den Zaubern geschwächt bin. Ich habe Georgius einmal mit einem Kinnhaken außer Gefecht gesetzt, aber daran ist im Moment nicht zu denken.
    »Ich brauche das Geld«, sage ich.
    »Ich auch.«
    »Wofür?« Ich versuche ihn hinzuhalten, bis ich wieder zu Kräften gekommen bin.
    »Spielschulden«, erklärt Georgius. »Bei der Bruderschaft. Genauer gesagt, bei Donax. Er hat gerade herausgefunden, dass einer meiner Wechsel von letztem Monat geplatzt ist. Das könnte ziemlich unangenehm für mich werden.« Er hebt eine Hand. »Aber wenn ich dich umbringe und dir die vierzehntausend

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