Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sturm

Sturm

Titel: Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
Vom Netzwerk:
Feuerstellen schienen jedoch von Familien genutzt zu werden. Nackte Kinder liefen mit Töpfen und in Blätter eingeschlagenen heißen Steinen über die Stege. Die Plattformen schwankten, die Konstruktionen darauf schwenkten miteinander und gegeneinander, knirschten in einer Melodie, deren Rhythmus das Wasser vorgab.
    Vor Ana begann Qaru, der Dichter, Symbole auf ein Pergament zu malen. »Tausend Geschichten«, hörte sie ihn sagen. »Tausend Geschichten.«
    Daneel hielt seinen Esel an und drehte sich zu den Gauklern um. »Zan Phirku erlaubt kein Feuer in seiner Stadt, nur draußen auf einer einzigen Plattform«, rief er. Seinem zahnlosen Mund fiel es hörbar schwer, den Namen des Fürsten auszusprechen. »Euer Geschäft verrichtet ihr in Eimern, die ihr nachts nach draußen stellt und die von den Bauern morgens abgeholt werden. Niemand scheißt in den See, verstanden? Gegen diese Verbote zu verstoßen, wird mit dem Tod bestraft. Man hat mir gesagt, es seien die einzigen Gesetze in Tu-Rhe. Also sollte es nicht allzu schwierig sein, sich daran zu halten. Sogar für dich, Koto.«
    Alle lachten, auch der schielende, leicht schwachsinnige Koto, der zu den Narren gehörte. Ana lachte mit, obwohl der Witz nicht komisch war und sie das wusste.
    Vor ihr setzte sich der Zug der Gaukler wieder in Bewegung. Mehrere Wachen begrüßten Daneel, als sie sich einem der Stege näherten, die nach Tu-Rhe führten. Sie trugen Lendenschurze aus Schilf und waren barfuß. Ihre Körper glänzten ölig und rochen nach Fisch. Speere hingen in Schlaufen auf ihrem Rücken. Ana sah keine einzige Klinge.
    Sie hörte die Wachen lachen und sah, wie einer Daneel auf die Schulter klopfte. Gemeinsam gingen sie den Gauklern entgegen.
    »Karren hier. Zu schwer«, sagte der Wächter. Er sprach die Gemeinsprache nur gebrochen, trotzdem schien Daneels Magie – wenn es denn Magie war – auch bei ihm zu wirken. »Passen auf«, fügte er hinzu und berührte den Speer auf seinem Rücken.
    »Nehmt, was ihr tragen könnt«, erklärte Daneel. »Der Rest muss hierbleiben. Niemand wird euch bestehlen.«
    Zwei Rucksäcke, das war alles, was Ana und Jonan besaßen. Den einen, in dem sich nur ihr Zelt befand, ließen sie zurück. Der andere enthielt Decken und ein wenig Kleidung, die Ana auf der Reise aufgelesen hatte. Jonan kümmerte sich nicht um so etwas, also hatte sie auch eine Hose und ein Hemd für ihn besorgt.
    Ana bemerkte erst, wie stark die Plattformen schwankten, als sie auf den Steg trat und strauchelte. Jonan stützte sie mit einer Hand ab. Die Wachen lachten. Einer sagte etwas in seiner eigenen Sprache. Sie klang, als würde man mit Lehm gurgeln.
    »Hier entlang«, sagte Daneel. Er zeigte auf ein Wirrwarr aus Gassen, Planken, Stegen und Hängebrücken. Es führte tiefer in die Stadt hinein, vorbei an Fischverkäufern, Webern, Korbmachern und Obsthändlern. Hunde, Hühner und Ratten liefen zwischen Anas Füßen hindurch. Andere Tiere schien es in der Stadt nicht zu geben. Im ganzen Sumpfland hatte sie weder Kühe noch Schafe gesehen.
    Überall, wo die Gaukler vorbeigingen, unterbrachen die Menschen ihre Arbeit und beobachteten sie. Die meisten lachten oder winkten, nur manche schüttelten den Kopf, als wüssten sie nicht, was diese Fremden in ihrer Stadt verloren hatten. Ana fiel auf, wie klein und dünn die Menschen waren. Die meisten reichten ihr gerade bis zum Kinn. Zwischen ihnen kam sie sich vor wie eine unbeholfene Riesin.
    »Zwergenwitze sollten wir wohl besser auslassen«, hörte sie Borrum, den Narren, hinter sich sagen. Sein Bruder lachte.
    Neben ihr sah sich Jonan mit sichtlicher Neugier um. »Ich sehe kein Metall, noch nicht einmal einen Nagel, nur Dinge aus Holz und Ton.«
    Ana nickte. »Mein Vater sagte, es gäbe keine besseren Holzschnitzer als die aus dem Sumpfland. Ich glaube, dabei ging es auch bei Zan Phirkus Besuch.« Sie erinnerte sich nur vage an die Unterhaltungen während des Banketts, vermutete aber, dass ihr Vater Holzschnitzer aus dem Sumpfland hatte kaufen wollen. Er hatte Schönheit stets mit Gold aufgewogen, sogar als er ihre Mutter heiratete.
    Die Wachen führten sie zu einer Plattform, die nur aus einem einzigen mehrstöckigen Gebäude zu bestehen schien. Es nahm die gesamte Plattform ein. Vorhänge hingen feucht und dunkel zwischen den Balken, schützten das Innere vor Blicken von anderen Plattformen. Das Gebäude war hoch. Ana sah an ihm empor und schätzte, dass es höher als die Festung Somerstorms sein musste. Die

Weitere Kostenlose Bücher