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Sturm

Sturm

Titel: Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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alter Mann zu werden. Niemand außer ihm trägt dafür die Verantwortung. Er wollte, dass du glaubst, für ihn verantwortlich zu sein. Er hat dich betrogen. Du solltest ihm zeigen, was du davon hältst.«
    Gerit sah Moksh an. Das Seil, an dem er hing, knarrte leise. Gerits Mund war so trocken, dass er nicht hätte spucken können, selbst wenn er es gewollt hätte.
    »Ich muss noch Brennholz für heute Abend hacken«, sagte er. Korvellan nickte. In seinem Gesicht war nicht zu erkennen, was er von dieser Antwort hielt. Gerit schob sich an den Wachen vorbei und verließ die Gerberei.
    Tief atmete er die kühle Sommerluft ein. Sie roch nach Pollen und Ziegendung. Einen Moment blieb er wartend stehen, aber Mamee folgte ihm nicht. Er hörte, dass Korvellan in der Gerberei etwas sagte, verstand ihn aber nicht. Gerit wandte sich ab. Niemand sollte ihm vorwerfen können, dass er die Gespräche anderer belauschte.
    Gerit wünschte sich, er hätte Korvellans Worte nicht verstanden, sondern sich gefragt, was es denn wohl mit Stärke zu tun hatte, einem toten Mann ins Gesicht zu spucken und ihm ein Begräbnis zu verwehren. Doch er verstand es.
    Müde nahm er die Axt von ihrem Haken im Unterstand. Der Karren war halbvoll mit frisch zurechtgesägten Ästen, genug Arbeit, um ihn bis zum Abend zu beschäftigen. Er war froh über die Gelegenheit, mit niemandem reden zu müssen, weder über seine Schwäche noch über seine Stärke.
    Ein Stück entfernt, weit genug, dass er ihre Gespräche nicht verstehen konnte, verließen Korvellan, Mamee und die Wachen die Gerberei. Mamee wollte die Tür schließen, aber Korvellan hielt sie mit einer Geste davon ab. Gerit verstand auch das. Der Gestank würde schneller vergehen, wenn die Möwen und Krähen an die Leiche herankamen.
    Korvellan blieb stehen und sah zu ihm herüber. Gerit spuckte in die Hände und begann Äste zu spalten. Nach einer Weile sah er zur Seite und bemerkte, dass Korvellan verschwunden war.
    Den ganzen Tag über hackte er Holz. Die Arbeit lenkte ihn von seinen Gedanken ab und von den Bildern in seinem Kopf. Gegen Mittag kam Mamee vorbei, brachte ihm Obstbier und ein Tablett mit frischem Brot und Schmalz. Sie aßen gemeinsam, schweigend, danach stand Mamee auf und ging. Einige andere sahen gelegentlich zu ihm herüber, während sie ihrer eigenen Arbeit nachgingen, aber niemand sprach mit ihm. Es war eine respektvolle Stille, nicht die Verachtung, mit der man Moksh gestraft hatte. Sie ließen ihm die Zeit, die er benötigte.
    Gegen Abend war der Karren leer und der Verschlag so voll, dass Gerit die letzten Scheite kaum noch unterbringen konnte.
    Seine Schultern schmerzten, und seine Hände waren voller Blasen, aber er fühlte sich besser, als ein Horn ertönte und die Wachen auf der Mauer nach unten sprangen und das Haupttor aufzogen.
    Der donnernde Hufschlag verriet bereits, dass Schwarzklaue zurückkehrte, noch bevor er durch das Tor galoppierte und an den Zügeln seines gewaltigen Kriegsrosses zog. Er wirkte wütend. Gerit zog sich hinter den Verschlag zurück. In dieser Stimmung war es besser, wenn Schwarzklaue ihn nicht sah.
    Der Nachtschatten sprang von seinem Pferd. Der Hengst tänzelte nervös und wieherte. Die Wachen, die das Tor geöffnet hatten, breiteten die Arme aus, um ihn einzufangen. Seine mit kleinen Steinen beschwerten Zügel schleiften über den Boden.
    Mit weit ausholenden Schritten lief Schwarzklaue die Stufen zum Hauptgebäude hinauf. Gerit sah ihn bereits im Inneren verschwinden, da blieb er plötzlich stehen und hob den Kopf, roch wohl den Verwesungsgestank aus der Gerberei.
    Schwarzklaue drehte sich um. Sein Blick richtete sich auf den Verschlag. »Gerit!«
    Gerit zuckte zusammen. Der Nachtschatten schien ihn gewittert zu haben wie ein Hund das Wild. Er trat hinter seinem Versteck hervor. »Was kann ich für dich tun?«
    »Ich will, dass du in die Stadt reitest und mit diesen verdammten Ältesten redest!« Schwarzklaues Stimme hallte über den Hof. »Sie müssen uns mehr von ihrer Ernte überlassen, nicht nur angeschimmeltes Maka und verdorbenes Fleisch. Damit könnte man kein Schwein füttern, erst recht keine Armee. Du bist der Sohn des Mannes, den sie Herr genannt haben. Vielleicht hören sie auf dich, bevor ich die Hälfte von ihnen umbringen muss.«
    Er wandte sich ab, sah dann aber noch einmal zu Gerit. »Und beeil dich. Die Armee ist bereit zum Abmarsch.«
    Seine Worte sorgten für Aufregung auf dem Hof. Schon lange hatten sich die Nachtschatten

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